Baracken-Bewohner klagen gegen die Stadt

Die Nutzungsgebühr für Notunterkünfte in Dormagen wurde verdreifacht.

Dormagen. Thomas R. und Martin W. (Namen geändert) teilen sich ein 15 Quadratmeter großes Zimmer. Sie zahlen dafür im Monat 655 Euro — für eine städtische Notunterkunft in der sogenannten Baracke am Rudolf-Harbig-Weg in Horrem. Für den stolzen Mietpreis von 43 Euro pro Quadratmeter dürfen Thomas R. und Martin W. auch den 20 Meter langen Flur und die völlig heruntergekommene Gemeinschaftstoilette und -dusche benutzen.

„Nicht nur die große Beengtheit der Räume, sondern insbesondere die nahezu Unnutzbarkeiten der sanitären und hygienischen Einrichtungen verletzen die Menschenwürde der dort untergebrachten Personen“, sagt Rechtsanwalt Cornel Hüsch. Der Neusser vertritt acht Männer, die am Verwaltungsgericht Düsseldorf wegen Mietwucher gegen die Stadt Dormagen klagen.

Die Kläger sind Selbstzahler. Ihre Wohnungskosten werden nicht, wie bei Hartz IV-Empfängern, vom Staat übernommen. Sie müssen für ihre Behausungen selbst aufkommen. Bislang zahlte W. für seinen Anteil am Zimmer pro Monat 108 Euro, inklusive Strom. Jetzt soll der Mieter monatlich 327 Euro entrichten — rund das Dreifache für Unterschlupf in einer Baracke, um die Rattenköder ausgelegt sind. Das hatte der Stadtrat im November 2010 einstimmig beschlossenen.

Der Unterschied zum normalen Wohnungsmarkt besteht darin, dass die Bewohner der Notunterkünfte keine Miete zahlen, sondern eine Nutzungsgebühr. Die Stadt rechnet dabei nicht nur die Nutzung des Wohnraums ab, sondern auch den Verwaltungsaufwand. In der Gebührenberechnung schlagen die Personalkosten jährlich mit 126 632 Euro zu Buche.

Laut Hüsch ist diese Berechnung fehlerhaft, „da nicht auszuschließen ist, dass erhebliche Geldbeiträge in die Gebührenkalkulation eingeflossen sind, die nicht unmittelbar mit der durch die Gebühr abgedeckten Leistung in Verbindung zu bringen sind“. Zudem könne nicht für alle sieben Notunterkünfte die gleiche Gebühr erhoben werden, da sich die Zustände der Wohnungen stark unterscheiden würden.

Einer, der sich ehrenamtlich um die Bewohner kümmert, ist der frühere Dormagener Kripochef Jürgen Brockmeyer. Als zweiter Vorsitzender des Fördervereins Jugend- und Sozialarbeit Straberg setzt er sich für jene ein, die „keine Lobby haben“. Für die acht Kläger hat Brockmeyer Prozesskostenhilfe beantragt. Er prangert die Verwahrlosung der Wohnheime, die nicht zu Seuchenherden mutieren dürften, bereits seit länger Zeit an. Doch nicht überall findet er Verständnis für seinen Einsatz.

„Ich bin auch schon als Taubenfütterer beschimpft worden“, sagt der 66-Jährige. Für manche seiner Schützlinge ist Brockmeyer die letzte Verbindung zur Gesellschaft. „Wir holen die Leute aus ihrem Schlupfwinkel. Diejenigen, um die wir uns kümmern, überfallen keine Oma“, sagt der Ehrenamtliche.

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