Integrationstheater: Geschichten aus dem Leben

Das Integrationstheater der VHS hält den Deutschen einen Spiegel vor.

Kaarst. Die Geschichte ist wirklich so passiert, sagt Kimberly Opdam aus Massachusetts. Die Amerikanerin ist vor zwei Jahren mit ihrem Mann nach Deutschland ausgewandert und wollte im Kaarster Rathaus die Aufenthaltsgenehmigung beantragen. „Ich war total stolz, nach zwei Jahren Sprachkurs endlich einigermaßen Deutsch zu können“, erzählt die 44-Jährige.

Doch der Beamte der Ausländerbehörde holte Opdam schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Im typischen Beamtenmodus sitzt der Mann am Schreibtisch und bombardiert die Amerikanerin mit Fragen: Name, Alter, Herkunft.

Bis hierhin alles gut. „Größe?“ „Größe 38. Aber warum wollen Sie meine Kleidergröße wissen?“ Das Missverständnis war vorprogrammiert. Das Gespräch endete damit, dass die Amerikanerin entrüstet brüllte: „Es hilft nichts, dass Sie die Frage lauter stellen, wenn ich den Inhalt nicht verstehe!“ — und der Beamte ungerührt weiterfragte. Für den Moment frustrierend, auf der Bühne zum schreien komisch. Deshalb ist die Szene Teil des neuen Stücks des Integrationstheaters der Volkshochschule Kaarst/Korschenbroich geworden.

Seit fast drei Jahren besteht das Ensemble, das aus acht Laienschauspielern besteht, die aus England, Russland, Taiwan, Ägypten und den USA stammen. Regie führt Annika Weitershagen, eine Theaterschauspielerin aus Köln. Die Stücke schreibt sie selbst. Der Inhalt kommt von den Darstellern. „Es sind Erlebnisse, die sie als Fremde in Deutschland hatten“, sagt Weitershagen. „Gleichzeitig führen ihre Geschichten uns vor Augen, was uns vielleicht gar nicht mehr auffällt.“

So auch bei dieser Szene: Naglaa Abd El-Monem und Anna Grebe machen einen Ausflug nach Köln und fragen eine Passantin, ob sie ihnen den Begriff „Aus dem Stegreif“ erklären könne. „Dat bedeutet so janz ausse Lammeng!“ — Fazit der gebürtigen Ägypterin und der Polin, die dachten, sie könnten mittlerweile Deutsch: „Wir werden das nächste Mal ein Deutsch-Kölsches Wörterbuch mit nach Köln nehmen.“

Für die Ensemblemitglieder ist das Theater nicht nur eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, sondern vor allem eine wertvolle Übung um die Sprachkenntnisse zu verbessern. Huei-Ling Klimm (59) stammt aus Taiwan, lebt aber bereits seit 20 Jahren in Kaarst. Doch erst vor einem Jahr entschloss sie sich zu einem Sprachkurs in der VHS und wurde auf das Integrationstheater aufmerksam. „Als die Kinder klein waren, habe ich keine Zeit gehabt, um zum Deutschkurs zu gehen“, sagt sie.

„Aber mich hat es gestört, dass ich nie die Grammatik richtig beherrscht habe. Ich wusste nicht, warum man der, die oder das sagt. Deswegen habe ich mich entschlossen, einen Kurs zu machen. Als ich dann zum ersten Mal mit dem Theater auf der Bühne stand, war das eine Mutprobe für mich.“

Das weiß auch Regisseurin Annika Weitershagen, die einmal in der Woche mit dem Ensemble probt: „In einer Fremdsprache zu spielen, ist wahnsinnig mutig. Die Nervosität der Darsteller steigt, je näher es an den Aufführungstermin herangeht.“ Der ist in jedem Jahr im Mai bei der Einbürgerungsfeier der Stadtverwaltung im VHS-Saal. Nach einer Sommerpause gehen dann im Herbst die Proben für ein neues Stück los.

Für die Ensemblemitglieder kein Grund, sich in der Zwischenzeit aus den Augen zu verlieren. „Wir sind eine wunderschöne Gruppe geworden und treffen uns auch außerhalb der Proben“, sagt Naglaa Abd El-Monem.

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