Das Schweigen durchbrechen

Dieter Hanschel hat versucht, das Leben seines Vaters nachzuzeichnen.

Büderich. Warum haben die Väter, die im Zweiten Weltkrieg waren, über ihre Erfahrungen geschwiegen? Warum haben sie ihre Kinder, wenn diese fragten, mit Floskeln abgespeist? Beim Donnerstag-Gespräch in der Büdericher Bethlehemkirche zeichnete Dieter Hanschel, Rechtsanwalt im Ruhestand, seine ganz persönliche Annäherung an das Schicksal seines Vaters nach.

„Das war eine offene Wunde, der ich mich stellen wollte“, beschrieb er seine Motivation, jetzt, 60 Jahre danach, in Archiven zu recherchieren und in Biografien aus jener Zeit zu lesen. „Es ging mir nicht um die Suche nach Schuld, sondern darum, nachzuempfinden, was mein Vater erlebt haben könnte und wie er die Zeit emotional verarbeitet hat — oder auch nicht“, erklärte der Referent.

Der Vater war ab 1941 in Russland an der Front. In seinem Personalbogen, den Hanschel in einem Archiv fand, wird der Offizier als „vom nationalsozialistischen Gedankengut durchdrungen“ beschrieben. Dort entdeckte der Sohn auch den Erlass, der den deutschen Soldaten im Osten quasi einen „Freibrief“ für ihr Tun ausstellte.

„In Russland wurden Zivilisten erschossen, Juden zusammengetrieben und abtransportiert“, erzählte Hanschel. Hat sein Vater mitgewirkt, musste er diese Dinge mitansehen? Die Zuhörer dieses Abends merkten, dass den Referenten diese Fragen beschäftigen — gerade weil es darauf keine Antwort mehr geben wird.

Bei der anschließenden Diskussion trugen mehrere Zuhörer ihre Gedanken und Erfahrungen vor, die das Bild jener Nachkriegszeit anschaulich machten. Die Menschen wollten nach vorne blicken, die Ärmel aufkrempeln und ihre Familie ernähren. So schienen sie ihr zerstörtes Lebensbild durch ein neues ersetzen zu können. Über schmerzhafte Erfahrungen zu sprechen war ein Tabu. Man war hart wie Kruppstahl, das saß fest, so der Tenor.

Die Kinder trauten sich oft nicht, nachzufragen. Was hätte dabei zu Tage treten können? Vielleicht war es auch die Scham, die manche gerade gegenüber ihrer Familie schweigen ließ. Ein Mitarbeiter der Hospizbewegung Meerbusch berichtete davon, dass sich einige ältere Menschen gegenüber ihm geöffnet hätten, um sich Schuld und Grauen von der Seele zu reden.

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