Niedrige Mieten in Meerbusch?

Kreispolitiker setzen neuen Mietwert fest. Die Stadt ist irritiert.

Meerbusch. Es könnte dem Meerbuscher Selbstverständnis schmeicheln: Die Stadt im Grünen spielt bei der Ermittlung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels auf Kreisebene in einer eigenen Klasse. Doch die Bedeutung dieser Sonderstellung ist noch nicht klar.

Es geht um Einheitlichkeit und einen Maßstab: Die Kommunen sollen ein Mietniveau festlegen, bis zu dessen Grenze die Erstattung der Unterbringungskosten akzeptiert wird, die Hilfsbedürftige nach dem Sozialgesetzbuch II benötigen, also langfristig arbeitslose oder arbeitsunfähige Menschen.

Den Auftrag zur Ermittlung der Daten hat der Rhein-Kreis Neuss an die Beratungsgesellschaft „Analyse & Konzepte“ in Hamburg vergeben. Deren Ergebnis wurde Ende November im Kreissozialausschuss vorgestellt — und löst erheblichen Beratungsbedarf aus.

In fünf Wohnungsgrößen unterteilt, legt die Tabelle in Dormagen, Kaarst und Neuss sowie Meerbusch ein Mietpreisniveau fest, dass deutlich unterhalb der derzeitigen Grenze liegt. Meerbusch habe offenbar sehr günstigen Wohnraum, kommentieren Kritiker diese Zahlen sarkastisch.

Erst am 20. Januar habe sie die Unterlagen zur Mietwerterhebung vom Kreis erhalten, teilt Meerbuschs Sozialdezernentin Angelika Mielke-Westerlage gestern mit. Die werfen auch am Bommershöfer Weg Fragen auf: „Ich kann nicht erkennen, welche Objekte in die Berechnung der Beratungsgesellschaft eingeflossen sind“, sagt Mielke. Naheliegend sei, dass die 60er-Jahre-Bauten der Böhler-Siedlung, in der das Mietpreis-Niveau durch eine Sozialcharta gedeckelt ist, berücksichtigt wurden. Angesichts der etwa 600 Wohnungen ein gewichtiger Faktor, wie Mielke betont. Das Angebot des Bauvereins im Büderich wurde laut Geschäftsführer Peter Wulbeck nicht erfragt.

Zurzeit arbeitet Mielkes Abteilung an einer Darstellung des Ist-Zustands: Anzahl der Hilfsempfänger, Wohnungsgröße, Lebensumstände. „Wir rechnen!“ Die Daten sollen Grundlage der Stellungnahme für den Kreis werden. „Wir sind natürlich auch daran interessiert, die Kosten zu minimieren“, betont Mielke. Immerhin verschlang die Unterbringung zuletzt 70 Millionen Euro. „Sparen ja“, sagt Mielke, „aber wir wollen keine Ghettoisierung.“

Kreis-Sozialdezernent Jürgen Steinmetz betrachtet die politische Diskussion mit Abstand. „Keiner will hier etwas durchprügeln“, betont er, „aber das Thema ist entscheidungsreif.“

Ziel des Kreises sei es nicht, eine Umzugswelle auszulösen, allerdings könne es auch nicht sein, dass „mit öffentlichen Mitteln alles gefördert wird“. Wichtig sei — und das werde in der aktuellen Diskussion oft verschwiegen —, dass ein „gewisser Bestandsschutz“ gewährt werden solle. Außerdem sei die Einzelfallprüfung nicht aufgehoben.

Das betont auch das Meerbuscher Kreistagsmitglied Birte Wienands (CDU), betrachtet diese aber nicht als Allheilmittel: „Es macht fürchterlich viel Arbeit.“ Trotzdem müsse man natürlich bewerten, dass eine große Wohnungen billig sein könne, ein erzwungener Umzug nicht günstiger sein muss. Parteiübergreifend hat Wienands jedenfalls „Bauchschmerzen“ ausgemacht.

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