So lernen Flüchtlingskinder in eigenen Klassen Deutsch

Für schulpflichtige Flüchtlinge gibt es in Meerbusch zwei spezielle Klassen.

Als ihm sein Lesezeichen auf den Klassenboden fällt, protestiert Alexander (14) umgehend: „Nein, nein, ich mach’ das.“ Aufheben möchte er es lieber selbst. Zusammen mit zehn anderen Jugendlichen aus Serbien, Montenegro, Togo, Albanien und Iran besucht er die neu gegründete Integrationsklasse der Osterather Realschule. Dort geht es für die Schüler aus anerkannten Flüchtlingsfamilien vor allem um eines: die deutsche Sprache lernen. Noch steckt die Klasse damit in den Kinderschuhen: Seit knapp einem Monat unterrichtet Rosalie Engel die Elf- bis 16-Jährigen. Die Lehrerin besitzt die notwendige „Deutsch als Fremdsprache“-Zusatzqualifikation, um eine Seiteneinsteigerklasse zu leiten.

Das erklärte Ziel: „Die Integration in die Regelklassen“, erklärt Engel. Oder mit den Worten von Jessica Eisenmann, Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf: „In den Auffangklassen soll verstärkt Deutsch unterrichtet werden, um eine Eingliederung in das deutsche Schulsystem zu ermöglichen.“ Um das zu erreichen, darf es auch ruhig kreativ zugehen: Im Klassenraum der Osterather Auffangklasse hängen Poster mit den eigenen Handabdrücken der Schüler, an der Seitenwand ein Poster mit Tiernamen in grün, blau und rot. Diese Tiere lernten die Schüler bei einem Zoobesuch dann auch selbst kennen. „Der Unterricht soll so intuitiv wie möglich gestaltet werden“, erklärt Engel. Grund dafür ist auch die Tatsache, dass für manche der Schüler das lateinische Alphabet Neuland ist. Mit assoziativem Lernen von Bildern und zugehörigen Worten „sollen die Schüler die Sprache sprechend erlernen“, erklärt Engel: „Sprache ist unglaublich wichtig fürs Selbstbewusstsein.“ Eine zusätzliche Herausforderung komme auch durch die ungewöhnliche Zusammensetzung der Klasse zustande, denn die Jugendlichen haben verschiedene kulturelle Hintergründe. „Die übliche Differenzierung nach Alter und Leistungsniveaus existiert hier nicht“, sagt Engel.

Am Meerbusch-Gymnasium in Strümp gibt es eine solche Klasse bereits seit zwei Jahren. Damit hat Meerbusch aktuell zwei Integrationsklassen. Zum Vergleich: Im knapp elfmal größeren Düsseldorf gibt es aktuell 516 Integrationsklassen.

Die Integrationsstelle beim Rhein-Kreis entscheidet anhand von Deutschkenntnissen und Wohnort, wer in welche Klasse gehen soll. Die Finanzierung der Auffangklassen teilen sich Land und Kommunen: Das Land zahlt die Lehrkräfte, und die Kommunen die Materialien. Im Fall der Osterather Realschule musste die Stelle extra ausgeschrieben werden: „Frau Engel konnten wir erst mit einer zweiten Ausschreibung gewinnen, denn nur wenige verfügen über die notwendige Zusatzqualifikation“, sagt Schulleiter Burkhard Wahner. Seit kurzem nehmen die Flüchtlinge an seiner Schule auch stundenweise und voneinander getrennt am regulären Sportunterricht teil. „Beim Sport klappt die Integration einfach am Besten“, sagt Wahner. Ab kommendem Schuljahr sollen Kunst und Mathematik dazukommen. Wahner: „Schließlich geht es nicht nur um stundenlanges Deutschlernen“. Die Schüler sollen hier einen kompletten Schulabschluss schaffen.

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