Stadtbücherei: Die Leidenschaft der Vorleser

Ehrenamtler garantieren in der Stadtbibliothek ein Angebot für Kinder.

Stadtbücherei: Die Leidenschaft der Vorleser
Foto: Ingel

Meerbusch. Doris Stracke-Egermann hat schon immer gerne gelesen. „Als Kind notfalls auch mit Taschenlampe unter der Bettdecke. Ich komme aus einem Dorf im Sauerland, da hat man sich durch Bücher die Welt ins Kinderzimmer geholt“, erzählt sie. Als Vorlesepatin versucht sie seit fünf Jahren in der Stadtteilbibliothek an der Kaarster Straße, Kinder ab vier Jahre einmal im Monat mit ihrer Begeisterung für das gedruckte Wort anzustecken. Mit zunehmendem Erfolg: Ganze Kindergartengruppen wollen inzwischen dabei sein, wenn die „Omi mit dem weißen Haar“ Abenteuer-, Urlaubs- oder Weihnachtsgeschichten vorliest.

Wolfgang Krumnacker schart in der Stadtbibliothek in Büderich seine junge Fangemeinde um sich. „Aufruhr im Hühnerstall“ zählt zu den Lieblingsbüchern von „Krumi“, wie er genannt wird: „Protagonist ist ein Hahn, der hat 23 Hühner, bekommt aber ernsthaft Konkurrenz durch einen Pfau. Das ist so ähnlich wie im realen Leben.“

Rund 80 Lesetermine im Jahr führen den Autor, Satiriker und Zauberer auch in Kindergärten, die zu 80 Prozent von Migranten besucht werden. Bei Kindern, die in China, Polen, Kasachstan, der Türkei oder Afrika geboren wurden, wird er dann gerne schon mal gefragt, welche Farbe denn seine Frau habe. Aber auch, woher er denn den dicken Bauch habe. „Wenn ich sage, vom Essen, haben die Kinder sofort gute Tipps parat: Mehr Sport treiben und nicht nur im Fernsehen dabei zuschauen, zum Beispiel.“

Die beiden Ehrenamtler sind für die Kinder in Meerbusch längst nicht nur Vorlesetante und -onkel, sondern nicht mehr wegzudenkende Bezugspersonen geworden. „Ich habe höchsten Respekt vor dieser Aufgabe“, sagt Bibliotheksleiterin Hildegard Bodden-Omar: „Man weiß nie, wie viele Kinder kommen und in welcher Stimmung sie sind.“ Kleine Späße zum Auflockern würden zwischendurch helfen, die Konzentration hochzuhalten, sagt Krumnacker. Notfalls müsse man das Kind direkt beim Namen nennen, „dann ist es sofort artig“, sagt Stracke-Egermann.

Von Hörbüchern oder E-Books halten die beiden Vorlesepaten nicht viel. „Die Kinder davon abhalten, sich mit modernen Medien zu beschäftigen, wollen wir aber natürlich nicht, das wäre ja auch realitätsfremd“, sagt Stracke-Egermann. Dennoch könne es nicht schaden, ein wenig zu missionieren und gegenzusteuern, betont Krumnacker: „Sonst werden die Kinder unweigerlich geistig träge.“

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