Wolfgang Nitschkes Programm „Respekt“ - Das intellektuelle Gegengewicht zum Dschungelcamp

Wolfgang Nitschke ruft in seinem Programm zu „Respekt“ auf, lässt den im Anschluss aber zum Glück vermissen.

Lank. Zu einer „familiären Stinkstiefelparty“ lädt Wolfgang Nitschke die Zuschauer im Forum Wasserturm ein — und hält Wort. Denn der Titel seines aktuellen Programms spottet natürlich Hohn.

Nitschke versprüht ebenso staubtrocken wie respektlos sein rhetorisches Gift, bleibt stets unverfroren subjektiv und sitzt dabei doch gemütlich und keine Miene verziehend an seinem Tisch wie ein dozierender Professor an seinem Pult.

So sehr viel stammt gar nicht von ihm selbst. Nitschke kramt lieber in den Stilblüten deutscher Politiker oder blättert im neuen Quelle-Katalog, in dem unter anderem 58 Dildos auf fünf Seiten und die Gummipuppe Lolita inklusive Blasebalg, Pflegepuder, Tragetasche und Reparaturset angepriesen werden. Ein „Sagenhaft“ ist das einzige, was dem 55-Jährigen als Kommentar dazu einfällt — aber das reicht ja auch schon.

Der Titel „Reschpeckt“, wie der Kölner das Wort selbst zu intonieren beliebt, öffnet ihm ein breites Spektrum an möglichen Opfern seiner bitterbösen Tiraden: Regierung und Opposition, Kachelmann und Käßmann, Heidi Klum und Gangsta-Rapper, Islam und katholische Kirche — und nicht zu vergessen den Wulff, von dem der Kleinkunstpreisträger sogar liebevoll ein Porträt auf seinem Schreibtisch arrangiert hat.

Hemdsärmelig rekapituliert er gerne, was andere für einen Stumpfsinn verzapft haben. „Alle Staaten der Welt sollen im Kampf gegen die Todesstrafe an einem Strang ziehen“, soll die ehemalige Justizministerin einmal gesagt haben. Nur ein Bespiel, „aber da muss man ja wohl nichts mehr hinzufügen“, betont Nitschke.

Nach mehr als 20 Jahren auf der Kabarettbühne kann man dem ehemaligen Mitglied des Kölner Dreigestirns so schnell nichts mehr vormachen. Ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hat er schon gar nicht nötig.

Und so gewinnt der Zuschauer bisweilen den Eindruck, so manche Bemerkung Nitschkes resultiere vielleicht aus einem unüberlegten Schnellschuss. Sogar ein wenig frauenfeindlich kommt er im ersten Teil rüber. Aber das meint er bestimmt nicht so, beruhigt man sich und erfreut sich stattdessen an seinem ätzenden Wortwitz und der ungenierten Lästerei, die eine Art intellektuelles Gegengewicht zum Dschungelcampniveau darstellt und immer knapp oberhalb der Gürtellinie Halt macht. Geht Nitschke darüber hinaus, sind es nicht seine eigenen Worte. Er zitiert, etwa aus Charlotte Roches Bestseller Feuchtgebiete, und zieht die Passagen auch noch schön genüsslich in die Länge. Dann windet sich der Zuhörer schon mal peinlich berührt auf seinem Stuhl. Aber das kann man schlecht Wolfgang Nitschke vorwerfen, „das Buch hat sich immerhin zwei Millionen Mal verkauft“.

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