Bildungs- und Teilhabepaket: „Kreis Neuss hat die schlechtesten Zahlen“

Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers prangert die Umsetzung des Bundesgesetzes an.

Neuss. Drei Millionen Euro sind im Rhein-Kreis Neuss wie berichtet 2011 nicht aus dem Bildungs- und Teilhabepaket abgeflossen. Das war mehr als die Hälfte der Bundesmittel, die für Kinder von Hartz-IV-Empfängern, von Wohngeld- und Kindergeldempfängern bereitstanden.

Am Mittwoch bekannte Horst Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes und früherer Bürgermeister von Dormagen: „Fast überall wurde das Gesetz schlecht umgesetzt. Leider muss ich sagen, dass der Rhein-Kreis Neuss vom Wirkungsgrad her die schlechtesten Zahlen aufweist.“

Im Neusser Rathaus kritisierte Hilgers heftig die „überbordende Bürokratie und unnötigen Antragsverfahren“. Bundesweit seien im vergangenen Jahr mindestens 450 Millionen Euro nicht abgeflossen. Das Geld bleibt bei den Städten und Kreisen, die müssen es aber nicht im Sinne des Gesetzes einsetzen. Auch im Rhein-Kreis Neuss fließen die nicht abgerufenen Mittel in den Haushalt. „Dabei könnten die Kommunen das Geld im Sinn der Kinder nutzen“, sagt Bürgermeister Herbert Napp: „Zum Bespiel für zusätzliche Schulsozialarbeiter.“ Tatsächlich würden den Kindern im Kreis 3 Millionen Euro entzogen.

Napp wie Hilgers nannten es einen „Skandal“, dass das Recht der Kinder auf Bildung und Teilhabe, wie es das Bundesverfassungsgericht 2010 ausdrücklich betätigt hatte, nicht umgesetzt werde. Für Neuss nannte Napp eine Tendenz, die Hilgers auch für die Bundesebene bestätigte: Die Summe dessen, was für Verwaltung ausgegeben wird, übersteigt das, was bei den Kindern ankommt.

Hilgers betonte, dass das aus seiner Sicht so nicht sein muss. Ausdrücklich sehe das Gesetz die Möglichkeit vor, von Ausnahmen abgesehen Mittel auch pauschal und ohne Anträge weiterzuleiten. Darüber streitet er auch mit Landrat Jürgen Petrauschke. Der hatte das in einem Brief bestritten. Hilgers präsentierte am Mittwoch aber ein an ihn gerichtetes Schreiben von NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider, der ein Beispiel nennt: „Ganz konkret bestehen bei der Leistung Mittagsverpflegung keine Bedenken, wenn das Kind durch Teilnahme am Mittagessen seinen Bedarf bekundet und dies in Form von Listen . . . dokumentiert wird.“ Hilgers wurde deutlich: „Ich ärgere mich, dass der Kreis, in dem ich lebe, das schlechteste Beispiel in Deutschland ist.“ Herbert Napp ergänzte, in Neuss sei man nicht „Herr des Handelns“, sondern an die Vorgaben des Kreises gebunden.

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