Das Kreuz: Symbol für Tod und Leben

Im Depot des Sels-Museums befinden sich zahlreiche Kreuze, die eine lange Geschichte haben.

Neuss. Die Szenerie im Depot des Clemens-Sels-Museums ist zufällig entstanden und belegt doch die Geschichte der Kreuzesdarstellungen über die Jahrhunderte hinweg. Ein hölzerne Skulptur zeigt die Heilige Helena mit den charakteristischen Beigaben: in einer Hand die Grabeskirche, in der anderen ein mächtiges Kreuz. Unmittelbar daneben steht das Kruzifix aus Peru, Kolonialzeit, 17. Jahrhundert: ein geschundener, blutender Jesus. Und schließlich verweist Thomas Ludewig, stellvertretender Museumsleiter und Volkskundler, auf das kleine Kreuz aus der Romanik: Jesus mit der Krone, ohne Dornen, entrückt.

Die Kreuzesdarstellungen belegen den Wandel christlicher Auffassungen bis hin zu der Tatsache, dass in evangelischen Kirchen in aller Regel das Kreuz ohne Corpus schlicht als Symbol der christlichen Botschaft gezeigt wird.

In der frühesten Zeit des Christentums konnte sich das Kreuz nicht zum Symbol entwickeln. Es war vielmehr ein Zeichen der Schande, Hinrichtungsbeiwerk für diejenigen, die, langsam und qualvoll sterbend, auch noch dem Spott der Menschen ausgesetzt wurden. Schwer war dieses Kreuz den Heiden als Sinnbild des Glaubens zu vermitteln. Stattdessen war der Fisch das Zeichen früher Christen; den Namenszug im Griechischen gebildet aus den Anfangsbuchstaben von Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser.

Das wandelte sich mit dem Wirken von Helena, Mutter des Kaisers Konstantin, die nach der Überlieferung hochbetagt im 4. Jahrhundert in Jerusalem die Stätte Golgatha mit dem heiligen Grab und das wahre Kreuz fand. Zuvor hatte Konstantin „in diesem Zeichen“ über die (West-) Römer gesiegt.

So setzte sich das Kreuz allmählich als Zeichen der Christenheit durch, stand und steht es für einen Tod, der sich in Leben wandelt. Erste Darstellungen sind teils reich verziert und noch ohne Corpus. Parallel dazu tauchen Darstellungen Jesu als Triumphator auf, mit ausgestreckten Armen, Sieger über den Tod. Im 6. Jahrhundert, so erläutert es Thomas Ludewig, verschmelzen beide Darstellungen. Jesus am Kreuz trägt eine Krone, weder Leid noch Schmerz sind an seinen Gesichtszügen abzusehen, die frühen Künstler bilden keine Wunden ab.

Das ändert sich im Hochmittelalter und erst recht in der Gotik. Das Haupt geneigt, übersät mit Wunden. Jesus leidet. Nicht zuletzt die Pestzeit hat die Künstler beeinflusst: Der Tod und das Sterben waren alltägliche Begleiter.

Aus dieser Zeit stammt auch das außergewöhnliche Gabelkreuz in St. Quirin. Um 1360 geschaffen, zeigt es ausdrucksstark den Todeskampf Jesu. Dieses Pestkreuz kam aus einer im Zuge der Säkularisation in Köln abgebrochenen Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Neuss. Nach der Verhüllung während der Karwoche ist es jetzt wieder zu sehen.

Vom reich verzierten Kreuz ohne Corpus aus dem 4. Jahrhundert und der strengen, entrückten Darstellung der Romanik bis zur expressiven Darstellung des Leids reicht die Bandbreite der Kreuzesdarstellungen.

Im Clemens-Sels-Museum ist eine weitere, ungewöhnliche Form der Darstellung von Kreuzigung und Auferstehung zu sehen, die der Besucher wohl eher der Weihnachtszeit zurechnet: Im Obertor ist eine Passionskrippe aus der Zeit um 1800 ausgestellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort