Die Deutschen und das Shakespeare-Erbe

Sebastian Koch und Philip Cumbus ergründen in einer Lecture die Adaption des Dichter-Werks.

Neuss. Nur ein Rednerpult, drei Stühle und darüber das populäre Shakespeare-Konterfei zieren die Bühne des „Wooden O“. Nichts lenkt im Neusser Globe ab von den Texten, die im Mittelpunkt dieser besonderen Lecture stehen. „Shakespeare — ein deutscher Dichter“ lautet das Motto des Abends, der des Barden Originale mit ihren deutschen Übersetzungen kontrastiert und dazu mit nahezu ein Jahrhundert umspannenden cineastischen Shakespeare-Adaptionen gespickt ist.

Der deutsche Charakterdarsteller Sebastian Koch und sein englisches Pendant Philip Cumbus rezitieren: zwei Sonette, Hamlets berühmten Monolog, Auszüge aus dem "Midsummer Night’s Dream", "As You like It" und Shakespeares leises Farewell aus dem letzten Akt in "The Tempest“.

Cumbus deklamiert seine Texte mit einer Inbrunst, die des jungen Hamlet würdig wäre, voll Leidenschaft und tiefer Emotion. Auch Sebastian Koch, leger im dunklen Anzug, hellen Hemd und mit offenem Kragen, lebt und erspürt seinen Text auf der Bühne, doch scheint durch seinen Vortrag eine gewisse distanzierte Gelassenheit, die sich von der Emphase des jungen Kollegen abhebt.

Am Rednerpult steht der Londoner Germanistikprofessor Martin Swales und webt die Texte gekonnt in den literaturhistorischen Kontext ein. Ihm sei keine literarische Transplantation bekannt, die die deutsche Shakespeare-Rezeption überbieten könne, sagt Swales. Zum Beweis bringt Koch die Worte großer deutscher Dichter zu Gehör: Lessing pries das englische Theater, Goethe setzte Hamlet in seinem Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ ein Denkmal, so eindrucksvoll, dass der Text weit über 100 Jahre später seine Rückübersetzung ins Englische fand.

„Die Deutschen sind dem shakespearschen Erbe immer treuer gewesen als die Engländer“, konstatiert Martin Swales. Wohl auch, weil der deutsche Shakespeare durch immer neue Übersetzungen, von Schlegel/Tieck und Eschenburg bis hin zu Erich Fried und Peter Handke, stets auch ein zeitgenössischer ist. Er lässt sich immer wieder unter neuen Aspekten betrachten, neu erfinden und inszenieren, wie das Neusser Shakespeare Festival im 21. Jahr seines Bestehens eindrucksvoll beweist.

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