„Eier machen keine Ostern“

Manfred Becker-Huberti zu den Ursprüngen und der Bedeutung von Ostereiern.

„Eier machen keine Ostern“
Foto: Marc Ingel

Neuss. Das Verstecken und Suchen von Ostereiern hat in der Familie Küpping Tradition. Jedes Jahr werden die bunt bemalten Eier im Garten versteckt, „und wir haben sie auch jedes Mal alle gefunden“, sagt die sechsjährige Ricarda. Doch der ein Jahr jüngere Bruder Gero protestiert: „Ein oder zwei hat Papa meistens doch zu gut versteckt.“

Wer glaubt, die Ostereier seien ein Brauch neueren Datums, irrt. Schon im frühen Christentum, bei den Armeniern des 4. Jahrhunderts, war es üblich, zu Ostern Eier als Symbol des neuen Lebens zu verschenken.

Theologe Manfred Becker-Huberti: Das gekochte Ei symbolisiert das Grab Christi: hart und doch voller Leben; rotgefärbt, drückt es die Farbe des Blutes, das durch den auferstandenen Jesus vergossen wurde, aus. Es symbolisiert ebenso die Macht Gottes über den Tod.

Eier waren zu Ostern ohnehin ein Speise, die reichlich zur Verfügung stand und nach der Fastenzeit gern genossen wurde. Denn sie galten den Gläubigen im Mittelalter als „flüssiges Fleisch“, der Verzehr war nicht gestattet. So wurden, wie Becker-Huberti berichtet, die Hühner entweder zu Karneval geschlachtet und gegessen, oder man kochte die Eier, machte sie durch Einlegen haltbar, vergrub sie im Garten und aß sie zu Ostern.

Oft brachten die Gläubigen sie auch mit in die Kirche, dort wurden sie in der Ostermesse gesegnet und zum Frühstück verzehrt. Die Tradition des Eier-Schenkens hat sich in vielen Kirchen über die Jahrhunderte gehalten, die Eier, ursprünglich nur blutrot, wurden verziert, geschmückt und zum Kunstobjekt — wie die berühmten Fabergé-Eier aus Frankreich. Die Ostereier-Suche dagegen ist, wie Becker-Huberti berichtet, eigentlich eine evangelische Erfindung.

„Eier machen keine Ostern“, hieß es bei den Protestanten. Die Fastenzeit vor Ostern gab es bei ihnen nicht, ebenso wenig die Eierweihe in der Kirche. Auf den Eierbrauch verzichten aber mochten sie auch nicht, und so wurden seit dem 17. Jahrhundert Eier im Garten versteckt — von Dachs und Storch, Kranich und dem Hasen, der sich bekanntermaßen durchsetzte.

Das Eiersuchen war ein Kinderfest, blieb noch eine ganze Weile eine Angelegenheit der Protestanten. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe sich der Brauch auch im katholischen Rheinland durchgesetzt, berichtet Becker-Huberti. Mittlerweile wird wohl niemand mehr zwischen katholischen und evangelischen Ostereiern unterscheiden wollen, das tut auch der Theologe in Grevenbroich nicht. Und der Osterhase? „Der steht für den sinnlichen Genuss, das Lamm für den Sinn“, sagt Becker-Huberti.

Das interessiert Ricarda und Gero alles nicht. Sie freuen sich jedes Jahr darüber, wenn sie wieder — fast — alle Ostereier im Garten aufgespürt haben. Nur dieses Jahr wird alles irgendwie anders: „Wir fahren über Ostern in die Eifel“, erzählt Ricarda. Aber auch da wird Papa schon einen Ort finden, wo er die Tradition aufrechterhalten kann.

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