Globe-Theater: Shakespeare aus Kabul und Chicago

Morgen beginnt an der Rennbahn das Shakespeare-Festival.

Neuss. Dienstag an der Rennbahn, noch zwei Tage bis zum Start des Shakespeare-Festivals. Die alte Wetthalle ähnelt einer großen vollgestellten (Rumpel-?) Kammer ohne jede Ordnung, hinten wird genäht, am Globe zupfen zwei Mädchen Unkraut.

Noch kein Welcome-Schild, keine Büste des Meisters. Doch Rainer Wiertz und Andreas Giesen sind gelassen. Das bewährte Duo von Festivalchef und Produktionsleiter hat so viele Festivals gestemmt, dass Hektik nicht aufkommen mag. Spannung schon.

Rainer Wiertz war vor kurzem noch in London. Dort findet bis zum Wochenende das Globe-in-Globe-Festival statt, 36 Shakespeare-Produktionen aus der ganzen Welt, alle nicht-englischsprachig, werden gezeigt.

Dort hat sich der Kulturreferent der Stadt die „Comedy of Errors“ angesehen, eine selbst in diesem Rahmen ungewöhnliche Produktion, die am 11. Juni auch im Neusser Globe zu sehen sein wird. Rah-e Sabz heißt die Compagnie, sie stammt aus Kabul und versucht, dort Shakespeare zu zeigen.

Als bei den Proben zu „Irrungen und Wirrungen“ eine Bombe hochging, wichen die Schauspieler nach Indien aus. Jetzt sind sie mit dieser thematisch nach Kabul verlegten Produktion in London, am Montag in Neuss — und dann wieder in Afghanistan.

„Ein kleines Theaterwunder“ ist das für die Neusser Veranstalter. An Inszenierungen, die mit Shakespeare höchst kreativ und originell umgehen, ist auf den Neusser Festivals kein Mangel. Dennoch kommt Wiertz geradezu ins Schwärmen („Es ist so gut, einfach nicht zu fassen!“), wenn er von der Produktion des Chicago Shakespeare Theater spricht: „Othello: The Remix“ zeigt das Werk „neu erzählt und neu gereimt, mit vier Jungs und einem DJ. Die Desdemona taucht nur in den Liedern auf“, sagt Wiertz. Das HipHop-Stück fordert Produktionsleiter Giesen in Sachen Soundtrack einiges ab, die Zuschauer, da ist Wiertz sicher, werden begeistert sein.

Die Inszenierung empfiehlt er auch Neulingen des Globe-Festivals. Und die erfahrenen Besucher, die auf fast alles gefasst sind? Sie sollten sich auf „Miranda“ einlassen, die Inszenierung des Ensembles OKT Vilnius aus Litauen, das den „Sturm“ als Zweipersonenstück anrührend interpretiert.

Den Auftakt macht morgen Abend das Icarus Theatre Collective aus London mit Macbeth. 88 Prozent aller Festivalkarten sind bereits verkauft, und das trotz der am Wochenende startenden Fußball-EM. Da weist Rainer Wiertz, selbst nicht eben ausgewiesener Fußball-Fan, dann doch darauf hin, dass man bei der Planung auf die Deutschland-Spiele während der Vorrunde, auf Halbfinale und Endspiel Rücksicht genommen habe. „Ich weiß doch, welche Bedeutung dieses Turnier hat.“ Unausgesprochen bleibt: Natürlich nicht die des 22. Shakespeare-Festivals in Neuss.

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