Hanni Hüsch, ehemalige ARD-Korrespondentin: „Amerikaner ticken anders“

Hanni Hüsch, langjährige Korrespondentin der ARD, zur Wahl in den USA.

Neuss. Wird Barack Obama weiterregieren? Oder heißt der neue Präsident Mitt Romney? Am Dienstag wird in den USA gewählt. Seit Wochen und erst recht in den vergangenen Tagen steigt die Spannung auch in Deutschland. Hanni Hüsch fiebert mit. Die langjährige ARD-Korrespondentin in Washington, seit August zurück beim NDR in Hamburg, bekennt: „Der Wahlkampf ist auch in 5000 Kilometer Entfernung so, so spannend.“

Über die Obama-Wahl vor vier Jahren hat die Neusserin aus den USA berichtet. Jetzt, turnusgemäß nach Deutschland zurückgekehrt, sagt sie freimütig: „Ja, mir blutet das Herz, weil ich nicht dabeisein kann. Ich weiß doch, wie sich das anfühlt.“

Den deutschen Blick auf den Wahlkampf und die Kandidaten kann sie in vielen Punkten korrigieren. Bei fast 90 Prozent liegen hier die Zustimmungswerte für Obama. Warum? „Uns gefällt die Lebensgeschichte, wir schätzen immer noch die klare Absetzung von der Bush-Politik, uns ist die Politik der Emphase für die Schwachen einfach näher“, sagt die Journalistin.

Nach vier Jahren in den USA weiß sie aber auch: Die Wertschätzung staatlicher Fürsorge sei „typisch deutsch: Die Amerikaner ticken eben ganz anders, so wie Romney sagt: Wenn es den Reichen gut geht, werden sie an die Armen weitergeben.“ Geradezu un-amerikanisch sei die Sicht, dass jeder ein Recht auf staatliche Fürsorge habe.

Und so sagt Hanni Hüsch: Auch wenn ihr Bild von Gesellschaft und Gerechtigkeit eher bei Barack Obama liege, werte sie es doch als „unentwegtes Unverständnis“, wenn eine mögliche Romney-Wahl hier schon fast als Weltuntergang gedeutet werde.

Also keine Richtungsentscheidung? Nicht in der Außenpolitik, meint die Kennerin der politischen Szene: „Das ist Realpolitik, und beide Kandidaten legen nicht eben den Schwerpunkt auf Europa.“ So habe in der Fernsehdebatte zum Thema Außenpolitik Europa („das wird mit Sozialismus verbunden“) überhaupt keine Rolle gespielt. Innenpolitisch aber gehe es schon um die Frage, einen wie starken Staat die Wähler wollten.

Einen Tipp zum Wahlergebnis hat Hanni Hüsch nicht. Mitentscheidend sei die Abstimmung in Ohio, „den USA im Miniformat“. Hier lag Obama am Montag in den Umfragen leicht vorn. Es könne auch ausgehen wie 2000: Obwohl die Mehrheit Al Gore wählte, siegte George W. Bush — Folge des US-amerikanischen Wahlsystems der Wahlmänner; „the winner takes it all“.

Gegen 6 Uhr deutscher Zeit dürfte am Mittwoch das Ergebnis feststehen, meint die Journalistin, die seit drei Monaten wieder „deutsch“ arbeitet. Was sie am meisten vermisst? Die Antwort kommt schnell. „Die unkomplizierte Freundlichkeit der Menschen, den lebensfroheren Umgang miteinander.“

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