„Liebelei“ am Landestheater: Naivität trifft auf Zynismus

Marc Lunghuß verleiht Schnitzlers Werk im Landestheater Aktualität.

Neuss. So eine Affäre bringt Abwechslung ins Leben. Doch wehe dem, der den prickelnden Spaß mit der großen Liebe verwechselt. Das galt nicht nur im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als Arthur Schnitzler mit seinem Schauspiel „Liebelei“ der größte Bühnenerfolg gelang.

Nun hat Regisseur Marc Lunghuß das Stück für das Rheinische Landestheater bearbeitet. Am Samstag feierte das psychologische Drama vor fast ausverkauftem Haus eine erfolgreiche Premiere.

Wie bereits bei seinem preisgekrönten „Törleß“ hat Lunghuß wieder ein Werk der österreichischen k. u. k.-Zeit bearbeitet. Und wieder gelingt es ihm mühelos, dem Stoff Aktualität zu verleihen.

Spartanisch präsentiert sich Martin Dolniks Bühnenbild. Die Requisite ist auf ein Minimum reduziert, lediglich vor Beginn der Handlung schwebt ein riesiges Herz über der Bühne. Pochend und verletzlich stimmt es die Besucher auf das ein, was sie in den nächsten 70 Minuten erwartet.

Lunghuß hat Schnitzlers Vorlage zu einem Vier-Personen-Stück verdichtet, fokussiert auf den Gegensatz zwischen Party-Mentalität und Emotionen, Naivität und Zynismus.

Ein Konflikt, der tragisch enden muss: Der junge Lebemann Fritz (Henning Strübbe) hat sich mit einer verheirateten Frau eingelassen und muss sich nun mit dem gehörnten Ehemann duellieren, wie es der Ehrenkodex verlangt.

Sein Freund Theodor (André Felgenhauer) hält sich indes an Mädchen aus einfachen Verhältnissen. Mit denen gibt es keinen Beziehungsstress, dafür Erholung und Zärtlichkeit, ist Theodor überzeugt.

So vergnügt er sich mit Mizi (Sigrid Dispert), ohne dass beide nennenswerte Gefühle investieren. Die oberflächliche Affäre ist Programm, wie Theodor erklärt: „Wir hassen die Frauen, die wir lieben. Und lieben nur diejenigen, die uns gleichgültig sind.“

Aber was, wenn doch eine Frau Gefühle entwickelt, wie Mizis Freundin Christine (herausragend: Melanie Vollmer) für Fritz? Christine ist lieb, keine Frage — nur „für eine langfristige Beziehung etwas zu lieb“, wie es Fritz formuliert. Schüchtern, naiv und emotional erlebt sie ihre erste, blinde Leidenschaft. Und das, obwohl sie ihn erst vor kurzem mit einer anderen in der Theaterloge entdeckt hat.

Obwohl er trotz ihres Drängens nichts von sich erzählt und Christine erst nach dem Begräbnis von seinem Tod im Duell erfahren muss. Melanie Vollmer versteht es, ihrer Figur eindringliche Überzeugungskraft zu verleihen. Umso tragischer wirkt Christines Erkenntnis am Schluss: Sogar gestorben ist ihr Liebster für eine andere.

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