Marianum: Neue Nobeladresse Preußenstraße 66

Für „gefallene“ Mädchen, künftige Priester: Nun sollen Mieter einziehen.

Neuss. Der prächtige Bau an der Preußenstraße 66 diente vor 100 Jahre nicht etwa als vornehme Bildungsanstalt. Hier zogen, betreut von den Schwestern der "Töchter vom Heiligen Kreuz", junge Mädchen ein, die als gefährdet galten: aus sozialem Elend kommend, "gefallen", schwer erziehbar. Seitdem hat das Notburgahaus eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit den 60er Jahren als Marianum bekannt, steht es nun seit einem Jahr leer - und wird, wie berichtet, vom neuen Eigentümer Bauverein als künftiges Domizil mit Mietwohnungen umgeplant.

Bis zu 300 Mädchen lebten an der Preußenstraße, schon zu Beginn der 20er Jahre musste erweitert werden. Im Krieg ein Lazarett, im September 1942 von Bomben getroffen, im März 1945 Krankenhaus für die Zivilbevölkerung - im Krankenhaus nebenan war Fleckfieber ausgebrochen -, dann wieder Mädchenheim. 1959 zog der Orden die letzten Schwestern ab; aus dem Notburgahaus wurde das Collegium Marianum des Erzbistums. Künftige Priester lebten und lernten hier.

130 Schüler waren es einst. Zuletzt, so erinnert sich Hausmeister Peter Wagner, waren es noch 18 - und 13 Beschäftigte. Vor fast genau einem Jahr verlegte das Erzbistum das Collegium nach Bonn. Joachim Kardinal Meisner schrieb 2004 in seinem Hirtenbrief: "Besonders schwer fiel mir die Entscheidung, das Collegium Marianum von seinem traditionsreichen Standort Neuss nach Bonn zu verlegen. Aber nur so können wir diese Institution retten, damit auch in Zukunft junge Männer, die Priester werden wollen, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachholen können."

Heute sind die Räumlichkeiten des noch bis in die 90er Jahre aufwändig sanierten Baus verlassen. "Franziskus II, Zugang Ignatius": Die Wegweiser zu den Wohnbereichen künden noch von den früheren Bewohnern, die hier dreieinhalb Jahre lernten, und ein anderes Schild aus Vor-Handy-Zeiten besagt: "Telefonzelle ist frei".

Kern und Schmuckstück in dem 100 Jahre alten Bau ist ohne Zweifel die "neue" von Professor Heinz Mack gestaltete Kapelle: 23 Sorten Marmor und Granit wurden hier verbaut, jede Bank ist individuell mit Ornamenten gestaltet. Nicht zuletzt die hohen Kirchenfenster beeindrucken in dieser kleinen Kapelle mit großer Ausstrahlung.

Weit erstreckt sich hinter dem Komplex samt Anbau der Park und daneben der Fußballplatz. Wagner erinnert sich: "Die Schüler hatten sogar einen Fußballverein. Hier gab es etliche Turniere. Erst eine Messe, dann auf den Platz."

Kirschen, Mirabellen, Pflaumen, Äpfel stehen im Park: Alte Obstbäume tragen Früchte. 30 000 Quadratmeter groß bis zur Mauer des Jahn-Stadions ist das Areal, auf dem auch noch hin zum Lukaskrankenhaus eine Remise steht. Hier haben zum Weltjugendtag noch 15 Gäste genächtigt.

Jetzt lebt nur noch Hausmeister Peter Wagner mit seiner Familie hier. Seit 25 Jahren betreut er das Marianum, und die letzte Messe, erzählt er nicht ohne Stolz, war die zur Trauung seines Sohnes. "Solange ich hier bin, ist da Marianum meins", sagt er.

Aus der Ruhephase wird das Marianum bald erwachen. Die Umbaupläne des Bauvereins - Mietwohnungen im Altbau, ein Anbau zum Lukaskrankenhaus hin mit einer stationären Pflegeeinrichtung und Bebauung im Park - werden in vier Wochen den Anwohnern vorgestellt, kommen dann zur Beratung in den städtischen Planungsausschuss. Und Frank Lubig, Vorstandsvorsitzender des neuen Besitzers, betont einmal mehr: An diesem traditionsreichen Platz werde es auf jeden Fall "eine maßvolle, angepasste Bebauung" geben.

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