„Neuss barrierefrei“: Neuss will den Weg frei machen

Die Stadt hat sich am Berliner Vorbild orientiert und das Signet „Neuss barrierefrei“ eingeführt. An Geschäften und Büros wurden die ersten angebracht.

Neuss. Ein Schaufensterbummel, Einkäufe erledigen, Arztbesuche — alltägliche Dinge. Wenn Ingrid Nockenberg Geschäfte oder Arztpraxen besuchen will, steht zuvor immer die Frage im Raum: Komme ich da überhaupt hin?

Nockenberg sitzt im Rollstuhl. „Ich bin seit mehr als 70 Jahren behindert“, sagt sie. „Wenn ich heute ein Geschäft vor mir habe, dass Stufen am Eingang hat, sehe ich mich nicht hilfesuchend um. Da gehe ich gar nicht erst rein. Das ist Diskriminierung. Ich besuche lieber das Geschäft, in dem ich zurechtkomme.“

Davon könnte es bald mehr geben — zumindest, wenn es nach Sozialdezernent Stefan Hahn, Max Fischer, dem Beauftragten der Stadt für Menschen mit Behinderungen, und Harald Jansen, Projektleiter der Aktion „Neuss barrierefrei“ geht. Das Projekt in Berlin zum Vorbild genommen, sollen auch in Neuss gelbe Schilder mit weißen Pfeilen darauf hinweisen, wenn ein Geschäft oder Büro so eingerichtet ist, dass dort Menschen mit Behinderungen zurechtkommen.

„Da bin ich gut aufgehoben und muss mich nicht mit Einschränkungen herumschlagen“, beschreibt Fischer, was das Schild symbolisieren soll. Damit es im Schaufenster hängt, muss ein Antrag gestellt und eine Begehung durch ein ehrenamtliches Team durchgeführt werden. Das prüft kostenlos Kriterien wie einen stufenlosen Zugang, breite Türen oder Orientierungsmöglichkeiten für Seh- und Hörbehinderte.

Zu dem Prüfungsteam gehört neben Ingrid Nockenberg und Max Fischer auch der sehbehinderte Ernst Balsmeier. „Wer an Behinderung denkt, hat meist einen Rollstuhlfahrer vor Augen“, weiß er aus Erfahrung. „Ohne Augenlicht haben Sehbehinderte keine Orientierung. Für uns hört eine Treppe da auf, wo das Geländer zu Ende ist. Ich bin froh, an dem Projekt mitwirken zu können.“

Am Freitag wurden die ersten sechs Signets überreicht. Steuerberater Schumacher, Rechtsanwalt Wardin, die Rentenberatung Konczwald, das Einrichtungsgeschäft Villa Liebenswert, Augenoptik Hapke sowie die Apotheke am Schwanneck haben sich der Überprüfung gestellt.

„Das lief unbürokratisch“, sagt Rechtsanwalt Norbert Wardin und spricht von einer „Win-Win-Situation, von der beide Seiten profitieren. Steuerberater Winfried Schumacher pflichtet bei: „Die Bevölkerung wird älter. Durch das Signet können wir diesem Personenkreis etwas anbieten — und haben gleichzeitig einen Nutzen, indem wir ihn als Kunden gewinnen.“

In der Apotheke am Schwanneck wurde im Rahmen eines Umbaus gleich ein Stufe entfernt. Apothekerin Angela Javid: „Jetzt können uns Menschen mit Rollstühlen, Rollatoren oder Kinderwagen problemlos besuchen.“

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