Neuss: Wenn die Löwin in die Röhre guckt

Ein Neusser Spezialistenteam baute ein CT-Gerät für den Einsatz mit (wilden) Tieren um.

Neuss. Friedlich schlafend lässt die Patientin die minutenlange Untersuchung durch den großen brummenden Computertomographen (CT) über sich ergehen. Sie liegt ruhig atmend auf dem Bauch in der berühmten "Röhre", die Augen fest geschlossen, die Glieder hat sie weit von sich gestreckt. Nicht einmal der unregelmäßige Geräuschpegel des CT kann die Patientin wecken. Kein Wunder, handelt es sich bei dem "Untersuchungsobjekt" doch um eine ausgewachsene Löwendame - und die wurde wenige Minuten vorher betäubt.

"Sonst hätte man sie wohl kaum in die Röhre legen und so ruhig untersuchen können", sagt Jörg Pfeiffer, Sprecher von Toshiba-Neuss mit einem Augenzwinkern: "Die Betäubung ist aber eigentlich auch das Einzige, was bei Tieren im Vergleich zu einer CT-Untersuchung beim Menschen noch zusätzlich gemacht werden muss."

Vor etwa zwei Wochen wurde am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) der Computertomograph AquilionCX in Betrieb genommen. "Das ist weltweit das erste Gerät dieser Art. In Neuss wurde es extra für Tiere und ihre Bedürfnisse umgerüstet", erklärt Pfeiffer. Durch den Öffnungsdurchmesser von gut 70 Zentimetern und eine spezielle Liegefläche, die Schwerlasten bis zu 300 Kilogramm trägt, ermöglicht der CT die Untersuchung von großen Tieren wie Elefantenbabys, Bären oder Löwen. Kostenpunkt: rund eine Million Euro.

Bei Tieren wurden Schichtaufnahmen mit Tomographen in der Vergangenheit äußerst selten vorgenommen. "Und wenn, dann wurden dazu veraltete Human-Tomographen benutzt, bei denen die Strahlung nicht den Tieren angepasst war. Das war nicht besonders gesund, und die Qualität der Aufnahmen war schlecht", sagt der Toshiba-Sprecher.

Neben dem AquilionCX am Berliner Leibniz-Institut, der künftig auch zur Analyse von Archiv- und Museumsstücken genutzt werden soll, werden deutschlandweit aktuell noch drei dieser Geräte an Universitätskliniken genutzt. Dort sind jedoch die "normalen" Versionen für die Diagnostik an menschlichen Patienten, wie beispielsweise in der Früherkennung von Schlaganfällen, Tumoren oder Gefäßveränderungen im Einsatz.

Gefertigt werden die Computertomographen in den Toshiba-Werken in Japan. Die speziellen Umbaumaßnahmen für das Gerät des Leibniz-Instituts wurden von einem Techniker-Team des Neusser Standorts im Hammfeld vorgenommen, das sich auch künftig um die Wartung der Apparatur kümmern wird. "Das IZW wollte ein besseres Gerät für Forschungs- und Untersuchungszwecke haben. Das haben wir dann in Neuss entsprechend ermöglicht", berichtet Jörg Pfeiffer.

Wie die künftigen tierischen Patienten dürfte diese Tatsache auch die Löwendame freuen: Durch die CT-Aufnahmen wurde festgestellt, dass ein Wirbelschaden für ihre motorischen Probleme sorgte. Nach der Röhren-Diagnose kann sie entsprechend behandelt werden.

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