Papierfabrik wird 100 Jahre

Betriebsrat organisiert Fest: Die Räuber spielen zum runden Geburtstag der Firma im Hafen.

Neuss. Es war der 18. Juli 1911, ein Datum in der Anfangszeit der industriellen Papierproduktion, als Karl Schulte und Eduard Deus für 106 475,35 Reichsmark ein Stück Land „Am Kaiser“ kauften und dort eine Papierfabrik gründeten. Aus der entstand später das heutige Unternehmen FS Karton. Zum 100. Firmenjubiläum lässt es das Unternehmen morgen mit einem großen Geburtstagsfest und 700 Gästen so richtig krachen: „De Räuber“ geben ein Konzert in der Eventhalle im Hafen.

Die Papierfabrik FS (Abkürzung für Faltschachtel) Karton gehört seit 1984 zur österreichischen Mayr-Melnhof-Gruppe (MM). Als europäischer Branchenführer für Faltschachteln macht die Gruppe nach eigenen Angaben über zwei Milliarden Euro Umsatz. An der Düsseldorfer Straße arbeiten rund 500 Mitarbeiter, davon 350 im direkten Kartonrecycling. Aus den Rohstoffen Holzschliff und Zellstoff sowie Altpapier produziert das Unternehmen jährlich etwa 350 000 Tonnen an gestrichenem Faltschachtelkarton, der unter anderem für hochwertige Verpackungen zum Einsatz kommt. Kellogg’s gehört zu den Großkunden.

Hubert Esser ist Betriebsratschef in Neuss, seit 1995 im Aufsichtsrat und seit Anfang 2010 auch Vorsitzender des europäischen Betriebsrats von Mayr-Melnhof-Karton. Vor 38 Jahren fing Esser an der Düsseldorfer Straße als Elektriker an, machte seinen Meister und wurde Betriebswirt. Der 52-Jährige weiß, wie wichtig ein gutes Betriebsklima für den Unternehmenserfolg ist. Seit mehr als 20 Jahren setzt er sich für die Interessen der Mitarbeiter ein und hat auch immer ein offenes Ohr für ihre privaten Nöte.

Der Betrieb läuft 24 Stunden nonstop, 365 Tage im Jahr. Seit Anfang der 90er wird im 5-Schicht-System gearbeitet. Um weitere Kundenfelder zu erschließen, setzt FS Karton in den vergangenen zwei Jahren verstärkt auf dünnere Wellpappverpackungen, so genannte Liner. In Europas modernste und größte Kartonmaschine investierte die MM-Gruppe am Standort Neuss laut Esser 2010 und 2011 rund 15 Millionen Euro. FS Karton macht in Neuss etwa zehn Prozent des Konzern-Umsatzes. Das sind laut Esser rund 180 Millionen Euro. Steigende Energiekosten könnten der Branche in Zukunft aber noch zu schaffen machen. Dennoch meint er: „Das ist ein sicherer Arbeitsplatz hier.“

Vom Großbrand im Außenlager hat sich FS Karton gut erholt, meint Esser. Fast 10 000 Quadratmeter Papier standen im Juli 2010 in Flammen. Die Versicherung hat den Schaden übernommen.

Für Betriebsrat Hubert Esser und Kollegin Gabriele Kemper war es ganz selbstverständlich, das Fest zum 100. Geburtstag zu organisieren. Die Gäste werden morgen ab 13 Uhr erwartet, die Räuber treten um 17.30 Uhr auf. „Die haben schon vor 20 Jahren bei unseren Weihnachtsfeiern gespielt“, sagt Esser, der mit Frontmann Karl-Heinz Brand befreundet ist. Die Band spielt ohne Gage: Mit einer Spende von 8 Euro pro Karte unterstützt FS Karton die Aktion Luftballon vom Lukaskrankenhaus, die kranken Kindern und deren Eltern hilft. „Schon zum 90. Bestehen konnten wir 20 000 Mark für krebskranke Kinder sammeln, das war Ansporn genug“, sagt Esser. Beim Fest gibt es für Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden aber nicht nur Musik: Wer mag, kann sich eigenes Papier mit Wasserzeichen handschöpfen lassen.

Zum Firmenjubiläum hat Esser den Kaufvertrag von 1911 jetzt das ein oder andere Mal aus dem Aktenschrank geholt. Das hellblaue historische Dokument ist leicht vergilbt, aber noch gut erhalten. „Das war eine Neuss-Düsseldorfer Kooperation. Der Marmeladenfabrikant Deus stammte aus Neuss, Schulte war Düsseldorfer Kaufmann“, sagt der Betriebsratschef und lobt den Unternehmergeist der beiden Firmengründer.

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