Pilgerreisen ins Sels-Museum

Bert Gerresheim stellt am Donnerstag im Museum sein Buch vor und berichtet von seiner alten Liebe Ensor.

Neuss. „Oostender Stundenbuch“ nennt Bert Gerresheim sein Werk, das er am Donnerstag im Gespräch mit Museumschefin Uta Husmeier-Schirlitz im Clemens-Sels-Museum vorstellen wird. Es ist eine Hommage an den belgischen Maler James Ensor (1860- 1949), dessen Skelette, Masken, Puppenköpfe und subversive Humoresken ihn zeitlebens inspiriert haben. Es ist zugleich eine Verehrung seines „Lieblingsmuseum“ Clemens Sels, in das er schon als Schüler pilgerte. Wir trafen ihn in seinem Düsseldorfer Atelier.

In den Regalen befinden sich verschrumpelte, bunt bemalte Kasperköpfe mit Stoffröckchen. In einem Glas stehen Ensors Pinsel, in einem Schubfach liegt dessen Malstock mit Farbe. Selbst die verspiegelte Kugel über dem Arbeitstisch ist ein Zitat auf den Surrealisten. Und Gerresheim erzählt: „Ich bin früh in Ensors Heimat nach Oostende gefahren, als der Künstler noch nicht wieder entdeckt war. Ich habe im Laufe der Zeit 70 Arbeiten von ihm erworben, Lithos, drei Radierungen und drei Briefe. Zeichnungen sind nicht darunter, die waren mir zu teuer.“

Gerresheim erinnert sich, wie er nachts mit einem Freund eine verschnörkelte Klinke aus dem abbruchreifen Ensor-Haus abschrauben wollte, als ihn die Polizei daran hinderte. Er kam wieder, als das Haus Ruine war, ließ für 200 Euro einen Lastenaufzug anfahren und Teile des Fensterrahmens ausbauen. Sie hängen heute in Gerresheims Düsseldorfer Atelier.

Wie kommt der Bildhauer und Grafiker der Gegenwart, der durch Bronzen wie das Heine-Denkmal für die Walhalla berühmt geworden ist, ausgerechnet zu James Ensor? „Ich schätzte ihn schon als Schüler, als uns ein Lehrer im Comenius-Gymnasium aufforderte, zum Bild vom ’Tod, der eine Menschenmenge verfolgt’, eine Inhaltsangabe zu machen. Ich vergaß die Inhaltsangabe und schaute fasziniert auf die Bilder.“

Als 20-Jähriger tauchte er abermals im Clemens-Sels-Museum auf, wo Museumsdirektorin Irmgard Feldhaus gerade eine Ensor-Schau vorbereitete. Der Grund für die Faszination: „Ich wollte wie er Dichtung und Wirklichkeit verweben, aber nach dem Krieg herrschte die abstrakte Kunst. Es galt als völlig unmodern, sich dem Gegenständlichen zu verschreiben. Ensor war für mich wie eine Vaterfigur.“

Das Oostender Stundenbuch ist voller Verweise auf den Mann am Meer, den Hafen von Oostende, die Kunstgeschichte von Holbein bis in die Gegenwart. Gerresheim pflegt noch heute im Rubens-Hotel abzusteigen und die Masken und Vorhänge im Ensorhaus zu betrachten. In seinem Buch tauchen Vexierspiele auf, Zitate flämischer Kunst, Assoziationen zu Werken der Geisteskranken, Masken jeder Art, Hasenvögel, Klabautermänner, Skelette und schließlich der Grabstein von Ensor in den Dünen.

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