Prozess um Mord im Jobcenter

Ahmed S. soll die Arbeitsvermittlerin Irene N. erstochen haben. Großer Andrang am ersten Verhandlungstag.

Neuss/Düsseldorf. Am 26. September vergangenen Jahres soll der Marokkaner Ahmed S. im Jobcenter an der Stresemannallee die Arbeitsvermittlerin Irene N. erstochen haben.

Dieser Fall hat bundesweit für Entsetzen gesorgt und die Arbeit in den Jobcentern des Landes verändert. Dementsprechend groß war das Interesse am Prozessauftakt — die Anklage lautet auf Mord — am Landgericht Düsseldorf.

Schon lange vor Verhandlungsbeginn drängten sich mehr als 40 Journalisten, Kameraleute und Fotografen um die Beteiligten. Mindestens ebenso viele Zuschauer standen zum selben Zeitpunkt schon vor dem Gerichtssaal Schlange. Blitzlichtgewitter folgte, als der 52-Jährige, der mit Hilfe einer Jacke und eines Aktenordners sein Gesicht verbarg, auf die Anklagebank geführt wurde.

Bei der Verlesung der Anklage zeigte der schmächtig und unscheinbar wirkende Ahmet S. kaum Reaktionen, konzentrierte sich auf die Übersetzung der Dolmetscherin. Auch als im Gerichtssaal Fotos von den blutverschmierten Tatwerkzeugen und der Kleidung des Opfers gezeigt wurden: keine Reaktion. Verteidiger Horst Ruthmann verkündete, dass sein Mandant sich aktuell nicht äußern wolle.

Dabei gäbe es einiges zu erläutern, allen voran das Motiv der Tat. Denn wer die Aussage von Ahmed S. bei der Polizei liest, denkt sofort an ein Missverständnis: 16 Tage vor der Tat unterzeichnete der Arbeitsuchende ein Formular beim Jobcenter, das der Behörde erlaubt, die Daten des 52-Jährigen an potenzielle Arbeitgeber weiterzuleiten.

Kurz vor der Tat sah er einen Fernsehbericht über Datenmissbrauch. Die Einverständniserklärung im Hinterkopf sei er so erbost gewesen, dass er ins Jobcenter fuhr. Dabei hatte er, so die Anklage, zwei am Körper versteckte Messer dabei.

Was dann geschah, schilderte am Mittwoch ein 60-jähriger Zeuge: Irene N. habe ihn gebeten, kurz zu warten, weil Ahmet S. zwei Fragen habe. Während er auf dem Flur wartete, habe er plötzlich Schreie aus dem Büro gehört. Sofort habe er die Tür geöffnet und gesehen, wie der Angeklagte Irene N. mit einem etwa 30 Zentimeter langen Messer in den Bauch gestochen habe.

„Als er sich umgedreht und auf mich zugekommen ist, bin ich in einen anderen Raum geflüchtet“, sagte der Zeuge. Dort habe er sein Handy einer Frau gegeben, die die Polizei verständigte.

Wie der Arzt, der die Obduktion durchgeführt hat, am Mittwoch bestätigte, starb die 32-jährige Ehefrau und Mutter eines Sohnes trotz sofortiger Erster Hilfe und einer Not-OP im Krankenhaus noch am selben Tag an inneren Verletzungen.

Zwei der vier Stiche trafen sie im oberen Bereich des Bauches und verletzten dabei Leber, Lunge und Niere. Eine Schnittwunde am Rücken deute auf mindestens einen „kompletten Durchstoß“ hin, so der Arzt.

Ein Polizist sagte am Mittwoch vor Gericht aus, dass der 52-Jährige bei seiner Festnahme etwa 100 Meter vom Jobcenter entfernt zwar freiwillig sein Messer wegwarf, aber trotz mehrmaliger Aufforderung, sich auf den Boden zu legen, überwältigt werden musste. Danach habe er sich mehrfach beschwert, er sei bei der Festnahme am Knie verletzt worden. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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