Schulen: Studenten stopfen Löcher

Wenn reguläre Lehrkräfte ausfallen, holen sich Schulen oft Vertretungslehrer von der Uni.

Neuss. Immer öfter befinden sich junge Vertretungslehrer selbst noch mitten im Studium. Wenn reguläre Lehrkräfte wegen Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit ausfallen, können die Schulen Ersatz suchen. Vertretungsunterricht dürfen allerdings nicht nur ausgebildete Lehrer oder Akademiker mit einem Studienabschluss erteilen. Auch Studenten, die „für den Schuldienst geeignet“ sind, können einspringen.

Über die Eignung entscheidet zunächst der Schulleiter. Die Bezirksregierung muss den Vorschlag dann noch absegnen — ein Prozess, der in der Regel komplikationslos verläuft.

Auch an Neusser Gymnasien unterrichten aktuell Studenten. Sie vergeben Noten, lassen Klassenarbeiten schreiben, entscheiden über Versetzungen und planen den Unterricht. „Wir haben derzeit drei Studenten, die bei uns als Vertretungslehrer arbeiten“, sagt Gerhard Kath, Schulleiter am Humboldt-Gymnasium.

Sie unterrichten in der Unter- und Mittelstufe Fächer wie Physik, Deutsch, Latein und Religion. Die Studenten werden zwar von erfahrenen Kollegen betreut, im Unterricht sind sie aber auf sich alleine gestellt. „Wir haben damit bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht und hatten viel Glück“, erklärt Kath.

Die Studenten seien sehr engagiert, weil sie in der Praxis viel für ihren Beruf lernen könnten. Grundsätzlich wäre es auch möglich, einen pensionierten Ingenieur als Vertretungslehrer zu engagieren. Kath: „Der wäre allerdings deutlich weiter weg von den Schülern als ein Student.“

Am Quirinus-Gymnasium stellt sich die Situation ähnlich dar: „Wir haben zurzeit einen Studenten als Vertretungslehrer, der kurz vor Ende seines Studiums steht“, sagt Schulleiter Ulrich Dauben. Er unterrichte Mathematik und Geschichte.

„Mathematik ist ein Mangelfach. Dafür finden wir derzeit nicht einmal einen Lehrer mit Abschluss für eine Regelstelle“, erklärt Dauben. Grundsätzlich begrüße er das Konstrukt, ausfallende Lehrer kurzfristig ersetzen zu können. Dauben: „Wir können schnell reagieren, und es muss kein Unterricht ausfallen.“

Die Schulen suchen sich ihre studentischen Vertretungslehrer auf sehr unterschiedlichen Wegen. „Wir nutzen Empfehlungen oder suchen den Kontakt zu ehemaligen Schülern, die mittlerweile studieren“, sagt Dauben. Gerhard Kath setzt hingegen auf Aushangzettel an der Universität Wuppertal und auf die Internetplattform des Schulministeriums.

Bezahlt werden die jungen Vertretungslehrer nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder. Da dort unter anderem auch die Erfahrung der Lehrkraft eingerechnet wird, verdienen sie allerdings deutlich weniger als ihre Kollegen mit Staatsexamen und abgeschlossenem Referendariat.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW übt harsche Kritik am Konzept der studentischen Vertretungslehrer. „Wir lehnen das ab, weil die Studenten dabei verschlissen werden“, sagt Vorsitzende Dorothea Schäfer.

Praktika während des Lehramtsstudiums und das Referendariat würden nicht umsonst von Fachkräften begleitet. „Man kann nicht einfach mal so eine Mathestunde geben“, meint Schäfer. Es sei besser, wenn der Unterricht ausfalle, als wenn es einen schlechten Unterricht gebe. Sie rate Studenten davon ab, als Vertretungslehrer einzuspringen. Schäfer: „Viele machen so schlechte Erfahrungen, dass sie anschließend den Beruf nicht mehr ausüben wollen.“

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