Shakespeare-Festival: Afghanen ernten im Globe stehende Ovationen

Die Compagnie „Roy e-Sabs“ aus Kabul begeisterte mit einer frechen und ironischen Interpretation der „Komödie der Irrungen“.

Neuss. Es war und ist eine kleine Sensation: Beim Shakespeare-Festival war erstmals eine Theatertruppe aus dem afghanischen Kabul zu Gast. Die Compagnie Roy-e-Sabs (Pfad der Hoffnung) begeisterte mit einer frechen, respektlos erotischen und köstlich ironischen Interpretation der „Komödie der Irrungen“.

Dabei bot das Ensemble alles auf, was es auf einer heimatlichen Bühne noch immer in größte Schwierigkeiten brächte: Gesang, Tanz — und zwanglose körperliche Kontakte zwischen Mann und Frau. Dazu eine liebestolle Küchenfee, der ein Mann herrlich schwule Züge verleiht; und eine Kurtisane, die auf Kabuls Straßen kaum so eindeutig mit dem Hinterteil wackeln dürfte wie auf der kahlen Bühne des Globe-Theaters in Neuss. Da verwundert es nicht, dass die blendend aufspielende Truppe ihre Proben aus Sicherheitsgründen ins benachbarte Indien verlegt hatte.

Nicht enden wollende Missverständnisse, Verlust von Frau und Kindern, Heimat und Identität stürzen die Menschen in Shakespeares erster, dem römischen Komödiendichter Plautus verpflichteten Komödie in die herrlichsten Wirrungen. Dabei reicht es dem großen Elisabethaner nicht einmal, ein Zwillingspaar ins Bockshorn zu jagen, ein zweites steigert die Komplikationen ins Groteske.

Beide Paare, Herren und Diener, sind in der Inszenierung Corinne Jabers ohne Glaubwürdigkeitsverluste von Syrakus und Ephesos nach Smarkand und Kabul gewandert, wo sich die Verwechslungen, Ich-Verluste und Identitäts-Krisen zuspitzen bis zum Irrewerden.

Wenn sich dann am Ende alle in ihrer wahren Situation und Identität wiederfinden, die Verwirrungen in ein auch noch herrlich ironisch gebrochenes Happyend münden, bekommt die Komödie ein ganze eigene Farbe: Der gelungene Versuch, verloren geglaubte Familienmitglieder wieder zusammenzuführen, erscheint als Hoffnungsfanal in einem Land, das wieder einmal auseinander zu fallen droht. Damit erhält die scheinbar so unverständliche Wahl, eine Komödie zu inszenieren, eine ganz eigene Bedeutung.

Stehende Ovationen, große Begeisterung für die Mischung aus Schwung, Frechheit und Poesie — und die rasch vertraut wirkende fremde Musik eines Trios auf orientalischen Instrumenten.

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