UWG-Fraktionschefin Anja Rüdiger: „Entschlammung ist notwendig“

UWG-Fraktionschefin Anja Rüdiger über den Nordkanal, Ikea und den Haushalt.

Kaarst. In lockerer Folge setzt die WZ die Interviewreihe mit den Kaarster Fraktionsvorsitzenden fort. Hier UWG-Chefin Anja Rüdiger im Gespräch.

WZ: Frau Rüdiger, eins der großen Themen der UWG ist seit Jahren die Nordkanalentschlammung. Ist das noch so?

Rüdiger: Selbstverständlich. In niederschlagsreichen Zeiten hat sich an der Problematik nasser Keller und überfluteter Straßen nichts geändert. Noch im Juli stellte das Landesamt fest, dass der Nordkanal seiner Funktion als Vorfluter nicht mehr gerecht wird. Die Behauptung unseres Bürgermeisters, der Nordkanal würde seine Vorfluterfunktion erfüllen, ist nicht nachzuvollziehen.

WZ: Warum ist diese Haltung für Sie nicht tragbar?

Rüdiger: Sowohl der zuständige Wasser- und Bodenverband als auch die Wasserbehörden sind sich inoffiziell mehrheitlich im Klaren, dass eine Sanierung des Kanals über kurz oder lang durchgeführt werden muss. Auch muss im Bereich des Wehrs an der Neusser Stadtgrenze für einen ungehinderten Wasserabfluss gesorgt werden. Wegen der Kosten verweigert man sich einer Sanierung jedoch immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten.

WZ: Was ist Ihr Hauptkritikpunkt?

Rüdiger: Der Nordkanal ist ein künstliches, ursprünglich als Verkehrsweg konzipiertes Gewässer, dessen Bau bereits als Eingriff in den Wasserhaushalt zu werten ist. Heute ist er ein wesentlicher Bestandteil des Kaarster Entwässerungssystems. Hier liegt die eigentliche Aufgabe des Verbandes, der die Vorfluterfunktion gewährleisten muss. Die Kosten für Pflege und Sanierung werden auf die Anrainerkommunen umgelegt.

Da der Nordkanal sowohl die gereinigten Abwässer als auch gesammelte Regenwässer aufnehmen muss, ist seine Sanierung eine Sache von ganz Kaarst und nicht die einzelner Bürger. Die gute Idee, die Kosten über Gebühren zu finanzieren, wird zwar mittlerweile diskutiert, geht jedoch nur schleppend voran.

WZ: Sind Sie zufrieden mit dem Planungsstand Kaarster Kreuz?

Rüdiger: Nein. Man hätte erwarten können, dass nach Erstellung eines Nutzungskonzepts auch eine entsprechend leistungsfähige Verkehrserschließung konzipiert wird. Leider ist man diesen Weg nicht gegangen. Eine Erschließungsplanung über Ohrenbrücke und K37n ist unter der Prämisse der Ikea-Umsiedlung nicht belastbar. Um die Verkehrsströme nachzuweisen, wurden die Parameter im Verkehrsgutachten mehrfach „angepasst“ und nachgebessert.

Das Ausräumen von Planungsdefiziten hat bislang nicht nur zu Mehrkosten geführt, sondern auch zu der Erkenntnis, dass weitere kostenintensive Zusatzmaßnahmen erforderlich werden. 2012 hat man für die Verkehrserschließung noch mit 11,7 Millionen Euro gerechnet. Mittlerweile geht man von 14 Millionen Euro aus, Ende offen. Das Areal kann nicht mit der Brechstange für ein Großunternehmen erschlossen werden — nicht um jeden Preis und nicht zu Lasten der Kaarster Bürger.

WZ: Der Bürgermeister geht davon aus, dass in einem Jahr mit dem Bau der Kreisstraße begonnen werden kann. Vom Land wird es 2013 keine Förderung geben. Gefährdet das die Planung?

Rüdiger: Ich kann mir vorstellen, dass auch 2014 nicht ein müder Euro vom Land kommt. Die Kosten werden an Kaarst und am Kreis hängen bleiben.

WZ: Was sagen Sie zum Bebauungsplan von Ikea?

Rüdiger: Wenn Ikea umzieht, muss die Verkehrserschließung geändert werden. Wir sehen eine Anbindung von Süden her, über die Umgehungsstraße und den Kreisverkehr. An unserem Standpunkt hat sich nichts geändert. Deshalb tragen wir den Bebauungsplan nicht mit. Es würde bedeuten, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Erst einen Bebauungsplan erstellen und dann sehen, wie und ob man die Verkehrsströme in den Griff bekommt. Für uns ist der Verbleib von Ikea am jetzigen Standort nach wie vor eine Alternative. Ein Neubau auf dem vorhandenen Gelände könnte zweigeschossig mit zusätzlichem Parkdeck oder Tiefgarage erfolgen.

WZ: Kann das neue Gewerbegebiet ohne Ikea funktionieren?

Rüdiger: Warum nicht? Das Gewerbegebiet am Kaarster Kreuz ist ein Filetstück. Es wird genügend Firmen geben, die sich dort gerne niederlassen. Ikea als Ansiedlungsmagnet spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Demgegenüber kann ich mir jedoch vorstellen, dass eine unzureichende Verkehrsanbindung, die sich in Stoßzeiten durch Überlastung „auszeichnet“, die Ansiedlung manchen Gewerbebetriebs verhindert.

WZ: Im März hat der Stadtrat den Haushalt 2013 verabschiedet. Die UWG votierte mit nein. Warum?

Rüdiger: Die Haushaltslage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Kaarst hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Die Fülle der beschlossenen Planungsmaßnahmen kann von der Verwaltung aus Kapazitätsgründen im veranschlagten Zeitraum nicht realisiert werden. Die Folge ist das Vorsichherschieben von Finanzverpflichtungen, die den städtischen Haushalt über Jahre aufblähen und das strukturelle, konjunkturunabhängige Defizit immer weiter erhöhen. Der Beschluss des Stadtrates, das Haushaltsloch durch die Erhöhung der Grundsteuer B zu mindern, wird von der UWG kategorisch abgelehnt.

Vielmehr sollte die Einnahmeseite durch eine Wirtschaftsförderung gestärkt und Einsparungen durch interkommunale Zusammenarbeit erzielt werden. Kreuzungsumbauten wie an der Gustaf-Heinemannstraße/L390 sind wegen des geringen öffentlichen Nutzens und der hohen Kosten zu vermeiden, ebenso generell zu hohe Standards.

WZ: Können Sie ein Beispiel nennen?

Rüdiger: Ganz deutlich wird dies bei der Schaffung von Kindertageseinrichtungsplätzen, auch für Kinder unter drei Jahren. Im Gegensatz zu Meerbusch belaufen sich die Baukosten in Kaarst für eine vergleichbare Kita etwa auf das Doppelte. Die Stadtparkhalle wurde wesentlich teurer als veranschlagt, und auch bei der Planung des Sportlerheims in Vorst stehen immer wieder kostenintensive Zusatzwünsche im Fokus etlicher Politiker.

WZ: Nach den Sommerferien geht die erste Gesamtschule in Kaarst an den Start. . .

Rüdiger: Gut, dass die Gesamtschule kommt. Das dreigliedrige Schulsystem hat ausgedient, da es von einer Vielzahl der Eltern nicht mehr angenommen wird.

WZ: Was liegt Ihnen für Kaarst 2013 besonders am Herzen?

Rüdiger: Wesentlich sind der Kita-Ausbau und der Bau der neuen Feuerwache in Büttgen. Die Verkehrserschließung für das Gewerbegebiet muss noch einmal auf den Prüfstand, ebenso die Standortfrage für einen Nahversorger im Ortsteil Büttgen. Bei allem wünsche ich mir, dass Kaarst seinen Kleinstadt-Charakter behält.

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