Retrospektive: Die Wiederentdeckung von Manfred Kuttner

Die Wiederentdeckung von Manfred Kuttner, der mit Stars lebte und vergessen wurde.

Rhein-Kreis Neuss. In den 1960 Jahren bildeten Kunst und Werbung, Grafik und Malerei noch eine Einheit, denn Werber waren Künstler, und Künstler verdienten ihr Geld in der Werbung. So einer war Manfred Kuttner (1937-2007), der gerade wiederentdeckt wird. Das Interesse an ihm hängt mit seinen Ex-Kommilitonen Konrad Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter zusammen, den Stars auf dem Kunstmarkt. Kuttner aber verschwand in der Werbung und wohnte fast ein Leben lang in Erkrath. Der Berliner Galerist Johann König sorgte für sein Comeback. Nun holte sich die Langen Foundation die Retrospektive aus Esslingen ins Haus.

Es ist ein schmales Werk von 1961 bis 1964 mit rund 80 Bildern, Objekten und Zeichnungen, einem Film und Fotos. Dann übernahm Kuttner die Werbeabteilung der Farbenfabrik Wiederhold. 1966, am Ende seiner Kunstkarriere, schenkte er Richter ein komplettes Sortiment der von Wiederhold hergestellten Ducolux-Farben. Richter malte Farbtafeln und wurde berühmt.

Was Kuttners Werk auszeichnet, ist eine Leichtigkeit im Umgang mit den neuen, fluoreszierenden Farben von Pelikan und das Spiel zwischen schrillem Magenta (Pink) oder saftigem Leuchtgrün und den herkömmlichen, eher sonoren Farben. Dieser Mann pfiff trotz genauer Vorzeichnungen auf Akkuratesse und mischte im lockeren Duktus Pop Art mit Op Art.

Er malte den nackten Körper seiner Frau frei nach Yves Klein, zu dem ihn der Galerist Alfred Schmela im Auto nach Paris mitgenommen hatte. Er machte aber nur Fotos vom Körper seiner geliebten Annemarie, während ihm Leinwandbilder mehr Geld eingebracht hätten. Stets ließ er die scheinbar geometrischen Strukturen tanzen, auf Dekostoff oder Leinwand, Spanplatte oder Jute, klebte „Pappaugen“ oder Holzstäbe auf, ließ Farben im Komplementärkontrast herunterlaufen. Er spielte mit den Künsten wie Polke, wenn auch nicht so doppeldeutig.

Während Richter eher Grau in Grau malte, war Kuttner mit seinen Plakafarben auf der Höhe der Zeit. Er malte scheinbar kinetisch bewegte Bilder, indem er etwa eine Goldfolie aufs Holz klebte, einen Kartoffelsack überstülpte und die Zwischenräume im Netzwerk auspinselte. Er kannte sich im Mustermachen aus, war doch sein Vater mit Lochkarten für Webstühle beschäftigt. Aber stets ließ er die Formen flirren, in Tupfenbildern und Gittermustern. Er verdrehte Rautenmuster, verwackelte Ränder, sorgte für Farbnasen oder malte eine Berg- und Talfahrt auf Wellpappe.

Als das Quartett 1963 in der ehemaligen Metzgerei an der Düsseldorfer Kaiserstraße 31a zur „Demonstrativen Ausstellung“ bat, verhohnepipelte der Titel den Kunstmarkt, denn was will eine Schau anders als anschaulich sein. Kuttner schob einen „Heiligen Stuhl“ von 1962 ins Schaufenster, einen Allerweltsstuhl in knatschig-grellem Pink. Jetzt steht er im Ando-Bau wie eine Ikone auf einem weißen Heiligenschein, den man auf den Boden gepinselt hat. In die Stuhlbeine sind Drähte eingelassen, damit sie nicht den prosaischen Beton berühren.

Das Möbelstück kam mit einem Kurier angereist. Und mit ihm kamen entkernte Matratzen, Sattel und Schreibmaschine, alle grellbunt, die aus sich heraus zu leuchten scheinen. Und da man dem verlorenen Sohn einen Namen geben muss, spricht die künstlerische Leiterin in Neuss, Christiane Maria Schneider, von der für Deutschland „neuen Pop-Art“.

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