SPD zieht zwei von drei Wahlkreisen

Reiner Breuer und Rainer Thiel (beide SPD) sind die Überraschungssieger des Abends. Lienenkämper (CDU) bleibt.

Rhein-Kreis Neuss. Schock und Jubel waren wohl selten bei einer Wahl im Rhein-Kreis Neuss so ausgeprägt wie am Sonntagabend: Zwei der drei Wahlkreise gehen an die SPD-Herausforderer. Lediglich Lutz Lienenkämper kann sich behaupten.

Der Neusser Jörg Geerlings muss sich nach einem wahren Auszählkrimi völlig überraschend Reiner Breuer geschlagen geben, im Wahlkreis Grevenbroich-Dormagen-Rommerskirchen unterliegt Wiljo Wimmer deutlich seinem Kontrahenten Rainer Thiel. Auch im Gesamtergebnis der Zweitstimmen im Kreis liegt die SPD mit 33,3 Prozent klar vor der CDU (30,8 Prozent).

Die Sensation liegt in der Luft, doch Klarheit gibt es erst um kurz vor 21 Uhr: Reiner Breuer, Herausforderer von Jörg Geerlings (CDU), holt den Neusser Wahlkreis für die SPD wie zuletzt Friedhelm Fahrtmann im Jahr 1990. „Sieger, Sieger, Sieger“, skandieren die Genossen in der Alten Post schon nach den ersten Zwischenergebnissen, da ist Norbert Röttgen bereits zurückgetreten und Rot-Grün im Land der eindeutige Sieger. Breuer ist es noch nicht: Hektisch wird bei jedem Zwischenergebnis nachgesehen, ob nun ein sicherer CDU-Stimmbezirk an den Kandidaten gegangen ist.

Im Drusus 1 herrscht nach der ersten Prognose um 18 Uhr eisiges Schweigen. Ein Desaster für die CDU, dann kommt es zaghaft von einem der wenigen Gäste: „Hoffentlich gibt’s wenigstens den Geerlings-Effekt.“ 45,6 Prozent der Erststimmen hat der Neusser CDU-Vorsitzende vor zwei Jahren geholt.

Jetzt werden es nur 36,1 Prozent. Drei Stunden nach Schließung der Wahllokale kann Geerlings seine Enttäuschung nicht verbergen. „Das ist natürlich eine klare Niederlage. Ich bin sehr enttäuscht, dass das Landesergebnis so auf Neuss durchgeschlagen ist.“

Joachim Paul, „der freundliche Oberpirat aus Neuss“, feiert mit dem Neusser Lukas Lamla, der ebenfalls über die Liste einzieht, und seinen Parteifreunden in Düsseldorf. Hans Christian Markert (Grüne) freut sich, dass sich die Grünen auch in Neuss „gut behauptet haben“ — und gratuliert den beiden Neusser Piraten, die in den Landtag einziehen. Mehr als einen Achtungserfolg erzielt Hermann Josef Verfürth: Für die FDP erreicht er 8,9 Prozent der Erststimmen.

Es ist ein Sensationserfolg für die SPD. Rainer Thiel war zwar zuversichtlich, aber dass das Ergebnis so deutlich ausfallen würde, damit hat der 60-jährige SPD-Chef im Kreis nicht gerechnet. „Ich bin überwältigt. Ich weiß noch gar nicht, wie ich die Gedanken sortiert kriege“, sagt Thiel. „Das ist eine große Verpflichtung den Wählern gegenüber, ich bin sehr dankbar“, freut er sich und nennt den Erfolg „die Krönung meiner politischen Karriere“.

Wiljo Wimmer (CDU) gratuliert seinem Herausforderer, noch bevor die letzten Stimmbezirke ausgezählt sind: „Das ist ein desaströses Ergebnis. Ich gratuliere dem Kollegen Thiel und hoffe, dass er sich für den Kreis einsetzt“, sagt der Zonser und sagt: „Wenn selbst Neuss wackelt, finde ich mein Ergebnis noch beachtlich.“ Erstaunt zeigt sich der Grevenbroicher CDU-Fraktionschef Norbert Gand, denn gerade in der Schlossstadt muss die CDU herbe Verluste einstecken: „Das muss man analysieren.“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai hat gut lachen: „Ein großartiges Ergebnis. Das ist ein Gesamtsieg, den man nicht isoliert sehen kann“, erklärt er. FDP-Kandidat Peter Cremerius: „Das Ergebnis ist auch dem tollen Politikstil von Herrn Lindner zu verdanken.“

Landrat Petrauschke (CDU) versucht sich am Abend mit einem Scherz: „Ich bin hier nur der Wahlleiter.“

„Das ist das schlechteste Ergebnis, das wir je hatten. Das kann man weder relativieren noch schönreden.“ Lutz Lienenkämper ist der einzige CDU-Kandidat, dessen Einzug in den Landtag schon am frühen Abend sicher ist. Deutlich hat er sich auch vom Ergebnis der Partei im Land absetzen können. „Darüber freue ich mich, weil ich es als persönliche Anerkennung empfinde und als Auftrag, die Interessen der Menschen im Rhein-Kreis in Düsseldorf zu vertreten.“ Auf Landesebene keine Selbstzerfleischung, eine nüchterne Analyse, die Wahl eines neuen Führungsteams — und dann ein langsamer Wiederaufbau der Partei, das seien nun die nächsten Aufgaben. „Keine Streiterei, keine Schreierei“, sagt Lienenkämper.

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