Bruno Kurth: „Tebartz-van Elst hat das Vertrauen der Gläubigen verspielt“

Wuppertal Stadtdechant im WZ-Gespräch über den Skandal um den limburgischen Bischof Tebartz-van Elst.

Herr Dr. Kurth, wie reagieren die Wuppertaler Katholiken auf den Skandal um das 30-Millionen-Prunkbau des limburgischen Bischofs Tebartz-van Elst?

Dr. BrunoKurth: Natürlich wird zu Recht und viel diskutiert, es herrschen Sorge, Betrübnis und auch Verärgerung — viele sind enttäuscht, weil sie erwarten, dass ein Bischof Vorbild sein sollte.

Gibt es aufgrund dessen Kirchenaustritte?

Kurth: Eine aktuelle Steigerung der Austrittszahlen ist mir nicht bekannt. Zuletzt waren sie mit durchschnittlich 30 pro Monat vergleichsweise normal. Zu befürchten ist, dass diejenigen, die ohnehin in einer kritischen Distanz zur Kirche stehen, diese Vorkommnisse zum Anlass nehmen, jetzt auszutreten.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Kurth: Es ist wichtig, den Menschen zu erklären, dass es bei uns anders zugeht. Die Limburger Situation ist ein absoluter Sonderfall, der bei uns nicht eintreten könnte.

Stadtdechant Bruno Kurth

Warum nicht?

Kurth: Zunächst einmal hätten wir hier in Wuppertal das Geld für so ein Bauprojekt gar nicht. Zum anderen versuchen wir, verantwortungsvoll mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen. .

Das ist auch hier nicht immer perfekt gelungen...

Kurth: Natürlich wurden in der Vergangenheit auch Fehler gemacht, wir haben hoffentlich dazu gelernt. Und grundsätzlich bleiben wir auch in der Kirche fehlerhafte Menschen. Doch nehmen Sie als positives Beispiel die Sanierung der Laurentiuskirche, die circa 2,3 Millionen Euro kostete, neben unseren Altenheimen die größte Baumaßnahme der katholischen Kirche in Wuppertal in den vergangenen Jahren: Mit diesen Plänen waren zunächst die gewählten Mitglieder des Kirchenvorstandes befasst, dann die unmittelbar Verantwortlichen des Erzbistums Köln, und bei dieser Bausumme die höheren Instanzen zur Genehmigung.

Wie sehen Sie die Rolle des Bischofs von Limburg?

Kurth:
Nach allem, was bekannt geworden ist, hat er als Bischof bei dieser großen Baumaßnahme die zuständigen Gremien und die eigene Bistumsverwaltung nicht so einbezogen, wie es richtig gewesen wäre. Sein Verhalten und das des Bistums waren nicht transparent.


Wie kann er „einfach so“ derartig viel Geld verplanen?


Kurth:
Er hat die Baumaßnahme größtenteils aus dem Vermögen des bischöflichen Stuhls finanziert und nicht aus dem Haushalt, in dem die Kirchensteuern der Mitglieder bewirtschaftet werden und der offen gelegt werden muss. Daraus sind nur circa drei Millionen Euro für die ganze Baumaßnahme verwendet worden, die aber mindestens 31 Millionen kostet. Dieses Vorgehen hat die Verschleierung erleichtert. Die tatsächliche Höhe der Kosten ist ja auch erst nach und nach herausgekommen.

Es heißt immer, die Kirche habe kein Geld. . .?


Kurth:
Das würde ich nicht so einfach behaupten. Man muss differenzieren: Die Vermögenslage ist in den einzelnen deutschen Bistümern sehr unterschiedlich, das hat historisch gewachsene Gründe. Es gibt solche, beispielsweise im Osten, die haben so gut wie gar kein Vermögen. Im Bistum Köln sind es dagegen mehr als 160 Millionen Euro. Dabei geht es, wohlgemerkt, nicht um die Kirchensteuermittel, die jährlich noch höher sind, sondern um das Vermögen des sogenannten Bischöflichen Stuhls. Das ist festgelegt, und alle Erträge fließen in unserem Bistum in den ordentlichen Bistumshaushalt ein und werden genauso verwaltet. Es wäre schlicht unmöglich, dass beispielsweise Kardinal Meisner hergeht und beschließt, sich so ein Anwesen bauen zu lassen. Außerdem entspräche das nicht seinem persönlich einfachen Lebensstil. Vorbildlich transparent ist übrigens der frühere Wuppertaler Stadtdechant Norbert Trelle, jetzt Bischof in Hildesheim. Das Bistum Hildesheim hat sowohl den Kirchensteuer-Haushalt als auch das Vermögen des Bischöflichen Stuhles nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches dargestellt und veröffentlicht.

Nach Armut klingt das nicht.

Kurth: Wir sind hier in Deutschland, gemessen am Weltmaßstab, eine sehr reiche Kirche. Das liegt vor allem an der Kirchensteuer. Dieser Reichtum verpflichtet uns, und wir dürfen nie aufhören, uns selbstkritisch zu fragen, ob wir der eigenen Soziallehre und dem Geist des Evangeliums entsprechen und Konsequenzen ziehen. Wir sind Kirche in einem der reichsten Länder der Welt und haben Teil an diesem Wohlstand. Das erklärt einiges, rechtfertigt es aber noch nicht. Und es entbindet uns nicht davon, wirtschaftlich vernünftig zu haushalten.


Umso unverständlicher dieser bischöfliche Luxus?

Kurth: Ja, das ist er. Zu Limburg muss fairerweise erwähnt werden, dass die Umbaupläne lange vor Tebartz-van Elst beschlossen waren — wenn auch nicht in diesen Dimensionen. Umso mehr sollte die Kirche — und das ist in Limburg versäumt worden — klug, verantwortungsvoll und transparent agieren.


Ist Tebartz-van Elst als Bischof noch tragbar?

Kurth: Er hat das Vertrauen in seinem Bistum verloren. Wie gravierend der Fall ist, das zeigt die gestrige Entscheidung des Heiligen Stuhls, nach welcher der Bischof von Limburg sich eine Zeit aus dem Bistum zurückzieht. Dies schafft Raum zur Prüfung und dringenden Klärung. Zu der Misere gehört ja auch das schwebende gerichtliche Verfahren wegen Falschaussage.

Doch er ist noch im Amt, oder?

Kurth: Ja, noch ist er im Amt. Den Menschen im Bistum Limburg wünsche ich möglichst bald Klarheit.

Dem Ansehen der katholischen Kirche hat er jedenfalls keinen Gefallen getan?

Kurth: Ganz sicher nicht. Das ist umso bedauerlicher als das Auftreten und Handeln von Papst Franziskus eine ganz andere Orientierung gibt als das Verhalten des Bischofs von Limburg. Wir sind als Kirche immer unter der Kritik und in der Schule des Evangeliums. Das macht Papst Franziskus in Rom sehr deutlich. Er lebt und tritt ein für eine Kirche, die sich am Geiste des Evangeliums, der Einfachheit und Armut orientieren sollte.

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