Charakterstudie eines Genies

Professor Arne Karsten referierte in der Elberfelder CityKirche über das Wirken des römischen Multitalents Gianlorenzo Bernini.

Wuppertal. Ein Museum zum Werk des Universalgenies, nein, das gebe es eigentlich nicht. Aber: „Rom ist sein Museum.“ Nicht allein mit beeindruckender Sachkenntnis, sondern auch einfühlsam und schlagfertig beleuchtete Professor Arne Karsten Leben und Wirken von Gianlorenzo Bernini (1598—1680). So wurde es für die Zuhörer in der nahezu voll besetzten CityKirche ein wahrer Genuss, „Kunst und Karriere im barocken Rom“ an sich vorbeiziehen zu lassen.

Nachdem Wuppertaler Bürger im vergangenen Jahr zu einer großen Wallfahrt in die ewige Stadt aufgebrochen waren, bildete Karstens Vortrag im Rahmen der Reihe „UniTal“ den logischen Schlagobers. Allein die klugen Einsichten in oft gesehene, aber vielleicht doch nie so recht verstandene Werke vermochten zu begeistern.

Da war etwa der Blick auf die berühmte Büste des Scipione Borghese, die Bernini gleich zweimal gefertigt hatte. Denn bei der Arbeit am ersten Steinblock hatte sich quer über der Stirn eine entstellende Ader aufgetan, die wie der vernarbte Schnitt eines Chirurgen wirkte. Karsten zeigte das zweite, makellose Werk, um die Meisterschaft des Bildhauers herauszustellen. Er fügte aber auch eine Zeichnung hinzu, die Bernini angefertigt hatte. Dieses Zerrbild Borgheses legt mit wenigen gekonnt gesetzten Strichen den Charakter des Papstes bloß und steht am Beginn einer Gattung, die Berninis Erfindung war: der Karikatur.

Wie beiläufig zeichnete Karsten über die Kunstbetrachtung den Lebensweg Berninis nach und legte nach kurzen Sätzen zu Kindheit und Jugend einen beeindruckenden Schwerpunkt auf ein Frühwerk. Nur 20 Jahre alt war der Meister, als er Rom mit der Skulptur „Aeneas, Anchises und Ascanius“ überraschte. In Detailansichten zeigte Karsten die gemeißelten Hautfalten eines alternden Menschen, wie Bernini sie dem spröden Marmor entlockt hatte.

Der Vortrag nahm zugleich die Kehrseiten des Hochbegabten in Augenschein und Stellung zu Berninis anmaßendem Auftreten in Zusammenhang mit einem Eifersuchtsdrama. So stand dem genialen Schöpfer des Petersplatzes ein Mensch voller Schwächen gegenüber, den allein sein sozialer Status und sein Genie vor dem Untergang bewahrten.

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