„Dem Karl seine Oma ihr Kleid“: Sprachverfall oder Sprachwandel?

Sprachwandel oder Sprachverfall? Professorin Susanne Uhmann sprach in der Citykirche über aktuelle Tendenzen und Qualitäten der deutschen Sprache.

Wuppertal. Wommer ma? Ja! Sowohl Professorin Susanne Uhmann, die die bergische Kurzform amüsiert zitierte, als auch das Publikum wollten ran an den Speck der vielen Fallstricke, die die deutsche Sprache bietet. Dass gerade ein solches Thema so viele Menschen locken und den großen Raum der Citykirche sprengen würde, kam selbst für Johannes Köbberling überraschend. Nach jahrelanger Erfahrung mit der Vortragsreihe UniTal blieb dem Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde der Bergischen Universität nur das Staunen über den Zustrom.

Uhmanns Frage: „Sprachwandel oder Sprachverfall? — Entwicklungstendenzen des Gegenwartsdeutschen.“ Es war deutlich zu spüren, dass manch ein Gast die Abrechnung mit Denglisch und anderen modernen Gepflogenheiten der deutschen Sprache erwartete. So gab es immer wieder ein Schmunzeln, wenn die Professorin unfreiwillige Sprachverrenkungen antastete. Ein verkorkster Genitiv („des Bärens“) war da das gelindeste Beispiel.

Indessen blieb die Abrechnung aus, verwies Uhmann darauf, dass viele vermeintlich dekadente Strömungen von langer Hand vorbereitet und also nur konsequente Ergebnisse einer Sprachtradition seien. Auch „Wommer ma“ habe durchaus seine Logik, weil die Tendenz bestehe, unbetonte Vokale und Silben unter den Tisch fallen zu lassen.

Bedroht sei nicht die deutsche Sprache an sich, denn sie beweise immer wieder ihre Anpassungsfähigkeit. Bedroht sei aber die Sprachfähigkeit des Einzelnen. Wer sich auf Mündlichkeit verstehe, zeige doch oft Schwächen bei der Schriftlichkeit. Uhmann präsentierte dazu das Werk einer Studentin, die es nicht geschafft hatte, den Inhalt eines Vortrags gekürzt und allgemeinverständlich zu Papier zu bringen.

In einer regen Diskussionsrunde verriet nach dem Referat Uhmann auch ihr Rezept, um dem Verlust sprachlicher Farbigkeit zu begegnen: „Indem Sie normkonforme Sprachvarietäten möglichst oft verwenden.“ Bedroht sei dann aber immer noch das Deutsche als Sprache der Wissenschaft und Bildung. Denn die mühselig errungene Position werde bereitwillig ans Englische abgegeben. Zugleich komme es zu merkwürdigen Übersetzungen englischer Begriffe ins Deutsche — etwa, wenn der „polar bear“ zum „Polarbären“ werde. Dabei sei er doch schlicht — ein „Eisbär“.

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