Die Möglich-Macher vom Ölberg

Was mit purer Begeisterung machbar ist, zeigten die ersten BürgerTal-Sieger: Die Helfer des Schusterplatz-Cafés verliehen dem Areal ein neues Gesicht - und schufen einen zentralen Treffpunkt.

<strong>Wuppertal. Der Blick von der Parkbank auf die kahle Betonwüste frustriert. Der Lack der roten Schaukel blättert, die verkommene Rutsche ist verwaist und die Tischtennisplatte vom Sturm gezeichnet - Tristesse pur. Die einhellige Meinung der Anwohner des Ölbergs in der Nordstadt: Der Schusterplatz war in diesem Zustand eine Bausünde der 1970er Jahre. Das sollte sich ändern. Mit Erfolg. Die Stadt rief die Bürger zur Ideensammlung auf und gab zusammen mit dem Land das Geld dafür. Eine Gruppe, die sich selbst Schusterplatz-Café nennt, formierte sich aus Anwohnern und verlieh dem "Schuster" mit einer Initiative "Platz für alle - Schusterplatz" sein neues Gesicht. Sie hat das Grau in Grau in ein Spielparadies und eine Wohlfühl-Oase im Herzen der Nordstadt verwandelt. Dieses Engagement des Schusterplatz-Cafés wurde jetzt mit dem BürgerTal-Preis ausgezeichnet. Die Initiative erhält 15 000 Euro. Schon während der Bauarbeiten organisierte die Gruppe in Kooperation mit dem Projekt "Kultur wirkt" die Veranstaltung "Gerüch(t)eküche", die die Anwohner verschiedener Nationalitäten an einen Tisch bringen sollte. "Wenn ich heute auf dem Schusterplatz bin, fühle ich mich, als sei ich in einem Pariser Stadtteilpark", sagt Viola Wessler, Mitglied des Schusterplatz-Cafés. Wo bis vor einem Jahr noch Asphalt das Straßenbild bestimmte, picknicken jetzt sonntags Familien, bauen Kinder Sandburgen, kicken Jungen Fußball und drehen ältere Damen Runden. Auf dem Schusterplatz im Herzen des Viertels pulsiert das Leben: Er ist Treffpunkt und der Ort, an dem man ins Gespräch kommt. "Man kennt sich, wenn nicht persönlich, dann kennt man zumindest jemanden, über den man sich kennt", sagt Wessler. Die Teenager-Mutter plaudert mit der Alt-68erin über Erziehungsfragen und tauscht mit der jungen Türkin Kochrezepte aus, während sie die Kinder des Punks mit den grün gefärbten Haaren hütet. Im Büro von Gaby Schulten und Thomas Weyland an der Zimmerstraße laufen die organisatorischen Fäden der ehrenamtlichen Arbeit zusammen. "Anwohner stellen uns ihre Ideen vor, und wir versuchen, sie bei ihrem Projekt zu unterstützen", sagt Weyland. Eins stellt er klar: "Wir springen mit unserem Geld nicht für die Aufgaben in die Bresche, für die der städtische Träger verantwortlich ist." Das Team um Weyland treibt nicht unbedingt der "Gedanke, für jemanden etwas zu tun", an. "Ich will die Anwohner motivieren, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen", beschreibt er seine Motivation. Der gelernte Unternehmens- und Organisationsberater sieht sich selbst als "Möglich-Macher", der Gelder besorgt und die Planungen koordiniert. Die Ideen, etwa das Freilichtkino "Movie in Motion", ein Grillfest oder ein Kindertrödelmarkt, reifen im Kopf anderer.

Aber gerade das ist wohl das Erfolgsgeheimnis. Die Menschen fühlen sich, sagt Weyland, ernst genommen und sehen, dass die Projekte, die sie anstoßen, in kurzer Zeit direkt vor ihrer Haustür realisiert werden. Daher fühlen sie sich, sagt Weyland weiter, für ihr Viertel verantwortlich. "Die Leute beweisen Zivilcourage, wenn sie einen Hundebesitzer direkt auf dem Platz darauf hinweisen, dass der Spielplatz keine Hundetoilette ist", sagt Weyland.

Das Projekt "Gerüch(t)eküche" indes belebte leer stehende Ladenlokale an der Marienstraße. Anwohner verschiedener Nationalitäten stellten dekorierte Festtafeln aus ihren Heimatländern aus. "Familienleben spielt sich am Küchentisch ab. Dort werden Entscheidungen getroffen und Gespräche geführt. So entsteht Kultur", sagt Weyland zum Projekt.

Unvergesslich für die Organisatoren sei die traditionelle Kaffeezeremonie eritreischer Frauen gewesen, bei der die afrikanischen Damen über die Tradition ihrer Heimat mit den Gästen ins Gespräch kamen. Zwei Wochen später plauderten die Gäste bei einer Bergischen Kaffeetafel Platt und diskutierten in der Folge mit Mitgliedern der Moschee an der Gathe über den Islam, während sie türkische Süßspeisen kosteten.

Die ehrenamtliche Arbeit ist nicht einfach, zähe Verhandlungen stehen auf der Tagesordnung, sagt Viola Wessler vom Schusterplatz-Café. Dessen Mitglieder gehen davon aus, dass sie lange über die Verwendung des Preisgeldes des BürgerTal-Preises verhandeln werden. Projekte, etwa die Fassade der Toilette zu sanieren, ein Hip-Hop-Konzert für Jugendliche oder eine Kunstaktion zu organisieren, seien im Gespräch.

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