Die Tragödie einer jungen Mutter und ihrer Tochter

Warum eine 23-Jährige ihr neugeborenes Kind nicht behalten wollte.

Wuppertal. Eigentlich ist Nicole M.(Name von der Redaktion geändert) eine Vorzeige-Immigrantin. Vor gut elf Jahren kam sie aus dem Kongo nach Deutschland. Mit ihrer Großfamilie lebte sie erst in Ostdeutschland. Eine schwierige Zeit. In Halle soll die Familie aus Schwarzafrika ausgegrenzt und angefeindet worden sein. Die Familie siedelte nach Wuppertal. Und Nicole M. ging ihren Weg. Sie bestand das Fachabitur, ist gelernte Wirtschaftsassistentin. Sie spricht ihre Heimatsprache ebenso gut wie deutsch, englisch und französisch. Beste Voraussetzungen für ein geregeltes Berufsleben.

Doch am Montag musste die 23 Jahre alte Frau im Landgericht auf der Anklagebank Platz nehmen. Der Vorwurf: Totschlag. Fast mehr als das. Laut Anklage soll die junge Frau im Mai 2007 ihre neugeborene Tochter kurz nach der heimlichen Entbindung erstickt haben. Dann wickelte sie die Leiche ihrer kleinen Tochter in Plastiktüten und versteckte das Bündel im Keller der elterlichen Wohnung.

Eine unerklärliche Tragödie? Wie konnte die junge Mutter über Monate ihre Schwangerschaft vor der Familie verheimlichen, die auf engstem Raum an der Uellendahler Straße zusammenlebte? Die Angst vor Entdeckung war offenbar groß.

Eine mögliche Erklärung dafür: Vor fünf Jahren wurde Nicole M. schon einmal Mutter. Ein Sohn kam damals zur Welt - mitten in der Schulausbildung. Der Vater der jungen Mutter soll empört gewesen sein und seine älteste Tochter, das Vorbild für alle, zwischenzeitlich verstoßen haben. Irgendwann durfte Nicole M. dann doch zurückkommen.

Sie ging weiter ihren Weg, fand einen Job in einer metallverarbeitenden Fabrik. Eigentlich war sie dafür überqualifiziert, aber sie verdiente Geld. Nicht viel, aber immerhin genug für sich selbst, ihren kleinen Sohn, und um die siebenköpfige Familie zu unterstützen.

Doch dann wurde sie zum zweiten Mal schwanger. Wieder zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Und wieder stand der Kindsvater offenbar nicht für eine familiäre Bindung zur Verfügung. Die Tragödie nahm ihren Lauf: Die zweite Schwangerschaft hat Nicole M. nicht nur verheimlicht, sondern für sich persönlich auch vollkommen verdrängt - aus Angst von der Familie verstoßen zu werden und den Job zu verlieren. Das hat eine vom Gericht als Gutachterin bestellte Psychiaterin vorab festgestellt. Fazit der Expertin: Die Angeklagte war zur Tatzeit nur vermindert schuldfähig.

Am Montag versuchte sich Nicole M. zu erklären. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit legte die junge Mutter ein Geständnis ab. Dem Vernehmen nach, war die junge Mutter dabei aufgelöst, am Boden zerstört.

Laut Verteidiger Andreas Sauter ist die Angeklagte mittlerweile in psychiatrischer Behandlung. Ihre Reue habe unmittelbar nach der Tat begonnen. Doch der Vorwurf steht wie eine Wand: Wie kann eine Mutter ihr eigenes Kind töten? Anwalt Sauter verweist auf die dramatischen und unglückseligen Umstände. Offenbar war niemand aus der siebenköpfigen Familie zu Hause, als Nicole M. ihre Tochter in der Badewanne zur Welt brachte und unmittelbar danach dem kleinen Mädchen Mund und Nase zudrückte, bis es sich nicht mehr bewegte. Verteidiger Andreas Sauter: "Wenn jemand aus der Familie die geburt mitbekommen hätte, wäre die Tat niemals geschehen." Der Prozess wird am Dienstag, 12. August, fortgesetzt.

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