Diese Börse handelt mit Kultur

Seit 40 Jahren existiert das Kulturzentrum. Ein Rückblick auf den Wackeltreff und die wilden politischen Jahre.

Diese Börse handelt mit Kultur
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Wackeltreff und Rudelsingen — mitunter scheinen es nur Vokabeln zu sein, die den Wuppertaler Börsianer vom braven Besucher eines Tanztees oder Teilnehmer eines Laienchors unterscheiden. Aber die bizarren Vokabeln deuten auch einen anderen Geist an. Einen Geist, der vor langer Zeit seine kulturelle Duftmarke in der Stadt setzte. 40 Jahre hat sie nun auf dem Buckel, die Börse.

Diese Börse handelt mit Kultur
Foto: Börse

„Nicht mit Aktien wird gehandelt, sondern mit Kultur“, erklärt die heutige Geschäftsführerin Petra Lückerath. „Das große, überlebenstüchtige Potenzial des soziokulturellen Zentrums ist nicht monetärer Natur, sondern speist sich aus bewegten Menschen, die Kultur schaffen, sich für Kultur interessieren und gesellschaftlich engagieren.“ Zugleich sei die Börse Treffpunkt politischer Netzwerke.

Diese Börse handelt mit Kultur
Foto: Uwe Schinkel

Im Rückblick ergibt sich der Eindruck, dass die frühen Jahre stärker von politischer Arbeit geprägt waren als die Gegenwart. Es war eine kleine Kaderschmiede, die Szenekneipe „Impuls“, in der die bahnbrechende Idee aufkam. „Den Börsen-Verein zu initiieren hatte keinen konkreten Grund. Wir hatten ein politisches Bewusstsein und wollten etwas bewegen“, berichtete Anna Tykwer zum 35-Jährigen. Die Mutter von Regisseur Tom und von Webentwickler Mark Tykwer war Gründungsmitglied in der Führungsriege.

Der Widerstand des Establishments gegen das basisorientierte Kulturanliegen schürte die Kampfbereitschaft der Börsianer und umgekehrt. Zwar stimmte Wuppertals Kulturausschuss 1972 einstimmig für das Kultur- und Kommunikationszentrum, das eines der ersten seiner Art in Deutschland werden sollte.

Aber es gab fortwährende Auseinandersetzungen um die finanzielle Ausstattung und 1980 eine harte Kampfansage der CDU, die linksextremes Gedankengut in der Börse witterte.

So kam es, ganz im Geist der Zeit, zu verrauchten Nächten voller Diskussionen um kommunalpolitische Wendungen wie auch um des Kaisers Bart. Beteiligt waren engagierte junge Menschen, von denen einige noch heute Wuppertals Kulturszene mitgestalten: Martina Steimer, Frederik Mann oder Frank Gniffke, Ziehvater des Wackeltreffs. Keiner von ihnen war sich zu schade, selbst Hand anzulegen, als die alte Viehbörse an der Viehhofstraße für den künftigen neuen Zweck hergerichtet wurde. „Da haben wir alle mit herumgewühlt“, berichtet Anna Tykwer.

Was die Eröffnung und damit den eigentlichen Geburtstag angeht, so besteht unter den Mitwirkenden der ersten Stunde kein rechter Konsens. „Irgendwann im Herbst“, darauf kann man sich gerade noch einigen. Gefeiert wird der 40. Geburtstag letztlich ein ganzes Jahr lang mit geballtem Programm.

Hier und da wird man sich einiger Meilensteine erinnern. Da war der bis heute ungeklärte Brand 1977, der zum Umzug in Privatwohnungen und dann an den Hofkamp zwang. 1981 erreichte die Börse im wiedereröffneten Gebäude an der Viehhofstraße ungeahnte Besucherrekorde, die am Ende zu Konflikten mit den Anwohnern führten, diese wiederum zur Aufgabe beliebter Veranstaltungsreihen mit entsprechenden Umsatzverlusten.

Legendär wurde der „Ringtausch“ des Jahres 1996. Die Börse war bereit, ein neues Domizil an der Wolkenburg zu beziehen, während Jörg Heynkes den alten Sitz in die VillaMedia verwandelte. „Die Börse war gerade in den ersten 20 Jahren von erheblicher Bedeutung für mich. Hier war ein Ort, der Spielraum bot zu einer Entwicklung jenseits des Mainstreams“, sagt Jörg Heynkes.

Für Petra Lückerath ist der 14. November 1998 als Eröffnungstag an der Wolkenburg 100 das entscheidende Datum. Dort hat die Börse ihr heutiges Gesicht angenommen, wurde der Verein 2002 in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. Zweck dieser Gesellschaft ist „die Förderung der Kultur, der Völkerverständigung und der Jugendförderung und Jugendhilfe im Sinne der ästhetischen Bildung in der regelmäßigen Programmarbeit“. Das Erfolgsrezept, sagt Lückerath, „besteht in Flexibilität, Vielfalt und Toleranz“.

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