Abschied: von Treskow zeigt eine verlotterte Gesellschaft

„Viel Lärmen um Nichts“ ist ein Festtag für das Wuppertaler Ensemble. Mit Seitenhieben wird nicht gespart.

Abschied: von Treskow zeigt eine verlotterte Gesellschaft
Foto: Uwe Stratmann

Wuppertal. Mit einem schreiend bunten, witzigen und frechen Paukenschlag verabschiedet sich Schauspiel-Intendant Christian von Treskow von den Wuppertalern. In guter alter Shakespeare-Tradition vermischt er bei dessen „Viel Lärmen um Nichts“ Comedia del’Arte, anzügliche Bemerkungen und politische Anspielungen. Von Treskow zeigt im Opernhaus eine verlotterte Gesellschaft. Ein großer Swimming Pool (Bühne: Jürgen Lier) bildet die Bühne für diese reichen und adeligen Gestalten, denen der Schein mehr gilt als das Sein, und die sich hinter Masken und Rollen verbergen.

Typische Comedia del’Arte-Elemente wie Pluderhosen, Tüllröcke oder extrem geschminkte Augen kombiniert Kostümbildnerin Kristina Böcher mit unter Unterhemden hervorquellenden Bäuchen und haarigen Hintern in Badehosen. Alle Figuren sind dick ausgepolstert — es handelt sich hier um übersättigte, handlungsunfähige Menschen. Die junge Hero (Anne Simmering) muss gar hereingeschoben werden.

Beim Maskenball verstecken sich die Figuren hinter Masken von Merkel, Putin und Obama, aber auch von Oberbürgermeister Peter Jung, von Treskow und Opernintendant Johannes Weigand. Und wenn der Träger des Jung-Porträts sinniert: „Ich bin der Hanswurst des Prinzen“ hat er den Beifall auf seiner Seite.

Stark im Vordergrund steht Hanna Werth, die sich als schwedische Kammerfrau Margarethe in die Herzen der Zuschauer spielt, als sie den Pool feudelt und dabei zur Walkman-Musik tanzt. Später übergießt sie das Publikum mit einem „schwedischen“ Wortschwall und räumt resolut hinter den Herrschaften her.

Julia Wolff und Marco Wohlwend geben mit viel Wortwitz das Buffo-Paar Beatrice und Benedikt, die als überzeugte Junggesellen immer neue Kritikpunkte aneinander finden. Ganz anders Graf Claudio, dervon Jakob Walser als schüchterner Junge in kurzen Hosen und Jackett mit Krawatte dargestellt wird. Schwärmerisch himmelt er Hero an, schwenkt bei der Verleumdung seiner Angebeteten durch Don Juan (Heisam Abbas) um und verstößt sie bei der Hochzeit mit den Emotionen eines kleinen Jungen. Das Happy End ist ein Karnevals-Zug: Die ohnmächtige Hero wird als Schneewittchen in einen gläsernen Sarg gelegt, die Wächter, die die beiden Verleumder von Hero festnehmen, tragen Röckchen und Bademützen, und am Ende bekommt der böse Don Juan eine zischende Granate in die Hand.

Von Treskow verwendet eine geschickte Mischung von moderner Sprache und Shakespeare’schen Wortverdrehungen samt einigen eigenen Ergänzungen. Das Stück ist ein Fest für seine Schauspieler, die perfekt aufeinander abgestimmt als harmonisches Ensemble agieren. Wie im Flug vergehen die drei Stunden köstlicher Unterhaltung. Das Sinfonieorchester Wuppertal ergänzt die Handlung stilvoll mit der romantischen Bühnenmusik von Erich Wolfgang Korngold. Vereinzelte Zuschauer verließen die Premiere in der Pause. Die anderen spendeten minutenlang begeisterten Beifall.

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