Die "Schöne Müllerin" passt auf die Bühne am Engelsgarten

Mit ihrer ersten Inszenierung in Wuppertal hat die Intendantin Susanne Abbrederis viel gewagt und viel gewonnen.

Die "Schöne Müllerin" passt auf die Bühne am Engelsgarten
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Intendanten, die auf Nummer sicher gehen, inszenieren zum Start ihres Wirkens einen Siegbringer, ein Stück, das auf jeden Fall beim Publikum ankommt und den Weg bereitet für eine zumindest vorläufig entspannte Intendanz. Susanne Abbrederis hat sich anders entschieden.

Die neue künstlerische Leiterin der neuen Wuppertaler Bühne wählte einen Liederzyklus. Die schöne Müllerin von Franz Schubert feierte am Wochenende Premiere im Theater am Engelsgarten. Und irgendwie passte das Stück in die Zeit des aktuellen Wuppertaler Kulturlebens.

Schubert schrieb Lieder über die Liebe, über Jugend, Sehnsüchte, Hoffnungen, Enttäuschungen und Glück, über Leben und Tod. Das ist in etwa die emotionale Gemengelage, in dem sich das in dieser Stadt so traditionsreiche Schauspiel in diesen Tagen bewegt. Neue Bühne, neues Ensemble, Neustart, Hoffnung, Sehnsucht nach Glück, Furcht vor Enttäuschung. Eine spannende Gefühlswelt, wie geschaffen für Schuberts Lieder um die schöne Müllerin.

Unter der Regie von Jos van Kan bewegte sich das bemerkenswert junge neue Ensemble der Wuppertaler Bühnen zunächst tastend, dann immer sicherer durch das Bühnenbild von Jan Ros. Große Klapptafeln symbolisierten Szenen auf dem Friedhof, im Wald, am Bach. Sie halfen, den Worten Schuberts Bilder zu geben.

Als Müllerinnen verdrehen Tinka Fürst, Julia Reznik und Philippine Pachl, teils überraschend stimmgewaltig, den jungen Männern den Kopf. Überraschend deshalb, weil Schauspieler keine Sänger sind, was die Entscheidung der neuen Intendantin zugunsten des Liederzyklus’ noch gewagter machte. Aber das neue Ensemble meisterte die gesangliche Herausforderung überwiegend zufriedenstellend und ließ es auch an schauspielerischer Kunst nicht mangeln.

Mal augenzwinkernd, mal spürbar und Romantik-getreu schmachtend gaben die Müllerinnen, die Jünglinge und der Jäger Schuberts Liedern körperlichen Ausdruck. Dabei halfen ihnen die Bildprojektionen auf der großen Wand im Bühnenhintergrund und auch das einfühlsame Spiel des Pianisten Christoph Schnackertz, den es am Ende des Stückes als Franz Schubert dahinraffte.

Dem Ensemble half auch die Größe des Hauses. Die Zuschauer sitzen im Theater am Engelsgarten sehr nah am Geschehen. Sie sehen, was die Schauspieler fühlen (sollen). Im Premierenstück konnten sie bisweilen sogar den Eindruck gewinnen, mit der schönen Müllerin auf der Bühne zu stehen. Auch das ist zweifelsohne riskant, wenn Schauspieler sich singend auf fremdes Terrain begeben. Aber wer wagt, gewinnt.

“ Mehr zur Premiere am Engelsgarten in der Montagausgabe der WZ auf Seite 17

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