NDR-Orchester und Thibaudet: Emotionale Achterbahnfahrt

Gastspiel: Das NDR-Sinfonieorchester und der Starpianist Jean Yves Thibaudet boten ein bewegendes Konzert in der Stadthalle.

Wuppertal. Nachdem die Konzertreihe „Johannisberg International“ in der Stadthalle leise eingeschlafen ist, freut man sich über jedes renommierte auswärtige Orchester und jeden Solisten, die in Wuppertal Station machen. Der Pianist Jean Yves Thibaudet und das NDR-Sinfonieorchester unter Thomas Hengelbrock lockten am Donnerstagabend natürlich.

Obwohl Franz Liszts zweites Klavierkonzert in A-Dur nur gute 20 Minuten dauert, ist es gespickt mit allen kompositorischen Raffinessen. Der Franzose Thibaudet und das norddeutsche Rundfunkorchester fassten es durchaus sinfonisch auf, mit Gleichberechtigung von Klavier und Orchester und vielen nahtlosen Übergängen in Form von kleinen Kadenzen zwischen den „Sätzen“. Und doch durfte der Pianist seine ganze Virtuosität zeigen, wobei er die lyrisch-empfindsamen Passagen keineswegs vernachlässigte. Dass Thibaudet einer der großen Pianisten ist, zeigte diese Paarung von Tiefe der Empfindung mit technischer Brillanz.

Ganz bei sich gestaltete er auch seine Zugabe, das herrliche „Lento placido“ aus den „Consolations“ (Tröstungen) von Franz Liszt mit schwereloser Melodie über den Achtelläufen der Mittelstimme über beharrendem Bass. Das ist große pianistische Kunst.

Dem stand das Orchester nicht nach. Gustav Mahlers gut einstündige fünfte Sinfonie in cis-Moll war in seiner Interpretation ein erschütterndes Erlebnis mit vielen emotionalen Achterbahnfahrten: Nahmen schon der schwer lastende Trauermarsch des ersten Aktes, die aggressive Apokalypse mit vorantreibender Dynamik in der wilden Klage des zweiten, das zwischen Walzer, Ländler und solistischen Horn-Episoden changierende Scherzo gefangen, so tauchte das aus dem Visconti-Film „Tod in Venedig“ bekannte Adagietto mit seinem schwebenden Klang von Harfe und Streichern in süße Melancholie.

Hengelbrock lebte diese Emotionen mit, ohne den Überblick zu verlieren und forderte mit Vehemenz von seinen Instrumentengruppen die jeweils exponierten Aussagegehalte. Das Choralthema aus dem zweiten Satz beherrscht das Rondo-Finale. Nun endlich sind Resignation und Destruktion überwunden, gelingt der Durchbruch zum durchaus weltlichen Jubel.

Das Publikum im großen Stadthallensaal war begeistert und wird den bewegenden Konzertabend lange in Erinnerung behalten.

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