Schauspielerin An Kuohn: Vom Zauber der Verwandlung

„Kalif Storch“ ist ein Fest für Schauspieler: An Kuohn macht auch an Weihnachten gerne Theater.

Wuppertal. Ob sie auf Natur oder auf Plastik setzt? An Kuohn lacht. „Mein Mann ist Förster. Ich bekomme einen First-Class-Baum.“ Die Frage, welche Requisite in der eigenen Weihnachtskulisse auf keinen Fall fehlen darf, wäre also geklärt. Ein Tannenbaum muss natürlich sein — im doppelten Sinne des Wortes.

Da trifft es sich bestens, dass An Kuohn an der richtigen Quelle sitzt. Die Schauspielerin bekommt ihr Exemplar frei Haus geliefert — vom eigenen Ehemann. Bleibt die Frage, was zur Feier des Tages auf den Tisch kommt. „An Heiligabend Kartoffelsalat, am zweiten Feiertag Gans.“ Kuohn blickt klassischen Festtagsfreuden entgegen. „Es wird sehr eng und sehr gemütlich“, prophezeit die Schauspielerin der Wuppertaler Bühnen.

„Wir freuen uns sehr auf die Kinder.“ Zumal auch zwei Enkel im besten Kleinkindalter am Tisch Platz nehmen. Jagdhund Antek ist davon mindestens genauso begeistert wie sein Frauchen: „Je mehr Leute im Haus sind, desto besser findet er es.“

Ganz so klassisch wie in anderen Familien geht es im Hause Kuohn aber dann doch nicht zu. Denn während andere am ersten Weihnachtstag mit dem Aus- und Anprobieren von Geschenken, mit opulenten Hauptmahlzeiten, familiärem Kaffeeklatsch und gemeinsamen Verdauungsspaziergängen beschäftigt sein mögen, macht die Hausherrin Theater — außerhäusig. Und das nicht zum ersten Mal. „Ich habe eine reiche Märchenerfahrung“, sagt Kuohn mit einem Augenzwinkern.

Schließlich ist in elf Spielzeiten so einiges zusammengekommen. Auftritte im Namen eines Blutsaugers („Der kleine Vampir“) gehören genauso dazu wie teuflische Einsätze als Geldhexe Tyrannia Vamperl („Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“). Kuohn kennt ohnehin die komischsten Gestalten. Sie war dabei, als „Der Zauberer von Oz“ Wuppertal erreichte und Pinguine darüber aufklärten, was echte Freundschaft bedeutet („An der Arche um Acht“).

„Kindertheater wird oft unterschätzt“ — wer wüsste das besser als An Kuohn? 28-mal hat sie für „Kalif Storch“ bereits ihre Identitäten gewechselt — und hautnah gespürt, dass junge Zuschauer die ehrlichsten, frechsten, aber auch euphorischsten Gäste sind, die ein Ensemble haben kann. „Wenn ein ganzer Saal voller Kinder lacht, haben wir auch Spaß auf der Bühne“, erklärt die Schauspielerin.

Das klingt nach kinderleichter Unterhaltung, ist es aber nicht. Denn An Kuohn springt zwischen vier verschiedenen Rollen hin und her. Nicht nur wegen der rasanten Kostümwechsel ist ihr märchenhafter Einsatz — real betrachtet — alles andere als ein Spaziergang.

Dabei sind die jungen Zuhörer genauso begeisterungsfähig wie direkt. „Sie geben unheimlich viel zurück“, betont die Darstellerin. „Die Kleinsten stehen manchmal auf Zehenspitzen vor ihren Sitzen. Sie schauen sehr gespannt zu — und das in aller Regel äußerst kritisch.“ Vor allem dann, wenn sie — je nach Kuohns aktueller Rolle — „nicht wissen, ob sie mich mögen oder fürchten sollen“.

Und vor allem: Kleine Theater-Fans halten ihre Meinung nicht zurück, wenn ihnen eine Figur allzu komisch, suspekt oder gemein vorkommt. „Dann brüllen sie sofort.“ Überhaupt: Je älter die Augenzeugen des zauberhaften Spektakels sind, desto mutiger treten sie auch auf. „Wenn im Stück eine freche Bemerkung fällt, gibt es auch im Saal freche Kommentare.“

Mucksmäuschenstill ist es nur, wenn An Kuohn zur Störchin mutiert und den großen Vogel mit dem langen Schnabel durch eine integrierte Handpuppe und grazile Bewegungen zu Leben erweckt. „Das Kostüm geht richtig auf die Schulter. Ein Storch zu sein, ist wirklich anstrengend“, sagt die Schauspielerin.

Doch die tierische Metamorphose lohnt sich. Denn: „In der Storchen-Szene ist es ganz still im Saal“, erzählt An Kuohn mit einem Augenzwinkern. „Da denke ich immer: Hoffentlich sind wir nicht langweilig . . .“

Doch keine Angst: Weder den Zuschauern noch den Profis auf der Bühne dürfte es langweilig werden — schließlich wechselt An Kuohn ihre Identität in einem schwindelerregenden Tempo. „Ich mag jede der vier Rollen. Sie amüsieren mich alle auf ihre Weise“, erklärt Kuohn, die mal Tier, mal Bäuerin, mal Hexe ist. „Es ist lustig, wenn man auf die Bühne kommt und die Kinder lachen, weil man so komisch aussieht.“

Es ist ja auch zu drollig: Als flippige, Kaugummi kauende Punk-Hexe hat An Kuohn „keinen allzu großen IQ. Die Figur ist ein Großmaul, aber eigentlich total feige. Das ist doch super. Da kann man dem Affen Zucker geben und richtig übertreiben.“

Wenn die Schauspielerin Dienstag zum letzten Mal das Störchinnen-Kostüm überstreift, taucht sie zum 29. Mal in den Orient ab. Fast 13 000 Zuschauer haben ihre wundersamen Wandlungen bereits live erlebt. 29 Vorstellungen innerhalb weniger Wochen — ist das nicht purer Stress? Kuohn winkt ab. Der ganze Zauber macht ihr Spaß, das spürt man. „Eine Aufführung dauert eine Stunde und acht Minuten. Die Inszenierung ist kurz und knackig.“ Außerdem sind die kleinen und großen Gäste stets so fasziniert, dass das Ensemble Zugaben geben „muss“.

„Es ist eine sehr detailverliebte Ausstattung“, schwärmt die gebürtige Schwäbin. „Ich fürchte aber, dass es mit weiteren Einsparungen Weihnachtsmärchen mit diesem technischem Aufwand nicht mehr geben kann“, gibt die Darstellerin zu bedenken. Nicht nur der Aufführungsmarathon der vergangenen Wochen, auch die kulturpolitischen Diskussionen der vergangenen Monate wollen verdaut werden.

Ob sie nach dem ganzen Theater nur noch die Füße von sich strecken möchte? Auf keinen Fall. Denn der Rest vom Fest soll am Ende wieder ganz klassisch gefeiert werden: „Am zweiten Feiertag genießen wir erstmal die Gans“, verrät An Kuohn. „Und dann gehen wir spazieren.“ Auch Antek dürfte das gefallen.

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