Tanz, Tragik und Freudentränen

Tanzstunden im TiC: Tom Müller und Sabine Misiorny führen Regie.

Frau Misiorny, Herr Müller, können Sie tanzen? Immerhin versprechen Sie im TiC „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ . . .

Tom Müller: Ich habe in meiner Jugend die Tanzschule besucht, allerdings ist wenig hängen geblieben, so dass ich den Grundkurs vier oder fünf Jahre später noch einmal gemacht habe. Genützt hat es jedoch nicht viel. Heute reicht es bei wenigen Tänzen gerade einmal für den Grundschritt, den ich besser vorher noch im stillen Kämmerlein übe. Sabine Misiorny: Mich hat es nie gereizt, in die Tanzschule zu gehen und irgendwelche Standardschritte zu lernen. Ich fand das langweilig. Wenn ich allerdings jetzt sehe, was unsere Choreografin Dana Großmann aus den im Stück vorgeschriebenen Gesellschaftstänzen gemacht hat, bekomme selbst ich als bekennender Einzeltänzer Lust, mich nach vorgeschriebenen Abläufen zu bewegen und mich vom Herrn „führen“ zu lassen. Vielleicht überrede ich meinen Mann zu einem dritten Tanzkurs.

Anders gefragt: Muss man tanzen können, um die Geschichte zu verstehen?

Müller: Man muss nicht tanzen können, um der Geschichte zu folgen. Die Tänze und die Musik dienen jeweils als Aufhänger für die Stimmung der einzelnen Szenen. Vielleicht schnappt aber mancher Nichttänzer den einen oder anderen Grundschritt auf, wenn Tanzlehrer Michael Minetti seine Schülerin Lily Harisson über das Parkett führt. Misiorny: Sehr richtig, und es würde mich nicht überraschen, wenn einige Zuschauer danach Lust bekämen, mal wieder öfter das Tanzbein zu schwingen. Für die Geschichte sind die Tänze eine Art roter Faden: Zwei Menschen begegnen sich, die sonst nie etwas miteinander zu tun hätten.

Das Stück wurde in zwölf Sprachen übersetzt und in mehr als 20 Ländern aufgeführt. Mit mehr als 50 Produktionen in Deutschland hat sich die Komödie auch hierzulande als internationaler Hit des zeitgenössischen Theaters etabliert. Weshalb, glauben Sie, ist die Geschichte so erfolgreich?

Misiorny: Da treffen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Lily, Witwe eines Baptistenpredigers, pensionierte Lehrerin, konservativ, kultiviert, zynisch, und Michael, gescheiterter Broadway-Tänzer, der sich nun als Tanzlehrer versucht, schwul, provokativ, respektlos. Von Anfang an nehmen beide kein Blatt vor den Mund. Dabei ist die Sprache direkt, schnörkelfrei und teilweise sehr frech. Das ist es aber auch, was einen fesselt: Es ist nie gekünstelt, was die beiden von sich geben. Und es ist mitunter so urkomisch, dass das Lachen förmlich aus einem herausplatzt, und im nächsten Moment kann es passieren, dass man zu Tränen gerührt ist. Müller: Außerdem behandelt das Stück eine Menge Themen, die quasi jede Gesellschaft der zivilisierten Welt berühren und beschäftigen — sei es Schwulendiskriminierung, Rassismus, Altersprobleme, Vorurteile, Kirche oder Generationenkonflikt. Richard Alfieri ist es wirklich gelungen, neben ausgelassener Leichtigkeit den nötigen Ernst und Respekt in das Leben der beiden Figuren zu packen, so dass sein Stück nie in Tragik, jedoch auch niemals in Klamauk abdriftet.

Sie tanzen sprichwörtlich auf mehreren Hochzeiten, führen Regie, stehen immer wieder selbst auf der Bühne und schreiben auch eigene Stücke. Welche Projekte stehen als nächstes an?

Misiorny: Auf der einen Seite macht es ganz schön viel Spaß, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Auf der anderen Seite frage ich mich, warum immer alles auf einmal kommen muss, wenn etwas kommt. Da bleibt einem dann nichts anderes übrig, als einen 24-Stunden-Tag irgendwie zu strecken. Dabei ist es vorteilhaft, dass wir immer im Doppelpack arbeiten. Das nächste große Projekt wird die Dramatisierung eines Bestseller-Romans sein. Wir stehen in Verhandlungen und können daher nicht mehr verraten. Abgesehen davon ist aber bereits klar, dass es im kommenden Frühjahr wieder eine Regiearbeit von uns im TiC geben wird. Darauf freuen wir uns schon riesig.

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