„Wir kommen nicht nach Hause“

Hans Werner Otto präsentiert seine Text-Musik-Collage „Dat gov en Kriagsgewemmel“.

„Wir kommen nicht nach Hause“
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. „Es lebe der Völkerfrieden“, mahnt die SPD bei Protesten gegen den Krieg 1914 auf dem Carnaper Platz, aber mit dem 1. August schlägt die Stimmung um und Heimat-Poeten dichten „Der Krieg ist ein Vergnügen“. Fotos erscheinen als Karikaturen: Soldaten, die Sackhüpfen spielen und mit Mädchen kokettieren — ganz nach dem Motto: Lustig ist das Soldatenleben.

Die Collage „Dat gov en Kriagsgewemmel“ brachte Hans Werner Otto jetzt in der restaurierten Aula der St. Laurentius-Schule auf die Bühne. Genau dort, wo vor 100 Jahren im Realgymnasium Aue (erbaut 1900) Lehrer und Schüler die ersten deutschen Siege feierten. Otto zeigt in Szenen und Lesungen, in Projektionen, Liedern und Mundart-Gedichten, welche Euphorie der Erste Weltkrieg im Sommer 2014 im Tal der Wupper auslöste.

Zwei rote Fäden durchziehen den Abend: Ausschnitte aus dem Theaterstück „Die Stromüberquerung“ des Barmer Autors Rudolf Herzog, der den Krieg preist, und die Feldpostbriefe des jungen Elberfelder Soldaten Walter Rieth an seine Familie. Die klingen zunächst noch zuversichtlich, erzählen vom Kuchenbacken und Feiern mit den Kameraden.

Dann werden die Schilderungen dringlicher und er bittet um Stiefel, Socken und Unterwäsche, denn in den Schützengräben sei es nass und kalt. „Wir kommen ja doch nicht wieder nach Hause“, ahnt der junge Soldat. Er fällt mit 21 Jahren im Mai 1915.

In einer Szene trifft der Elberfelder Chemiker Carl Duisberg einen General der Heeresleitung und legt ihm ans Herz, die T-Hexa-Granate in diesem Krieg auszuprobieren: Phosgen sei das gemeinste Zeug, das er kenne, und er empfehle „unseren Soldaten“, Gasmasken zu tragen. Selbst die Kirche ringt dem Krieg eine Rolle als „Strafe Gottes für Verfehlungen des Fleisches“ ab.

Mit welcher Eindringlichkeit die Schauspieler Dörte Bald, Bastian Bastian, Andreas Mucke, Stefan Otto, Thorsten Strauch, Wolfgang Suchner, Lukas Vaupel und Jannis Wolter sprechen und spielen, das lässt keinen der Zuschauer in der voll besetzten Aula kalt.

Der Autor Hans Werner Otto selbst schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen und spricht in Gedichten perfektes Platt. Übertitelungen informieren und übersetzen, die Musik — Projektchor und Instrumente — kommentieren das Geschehen emotional.

Den Abend beschließt der Chor amici del canto (Leitung Dennis Hansel) mit Hanns Eislers „Gegen den Krieg“. 1936 schrieb Eisler diese packende Kantate zum Brecht-Text. „Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“ heißt es dort. Das haben im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg viel zu wenige Menschen gedacht und gesagt.

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