1972 bis 1976: Als Wuppertal mit WSV und Pina in die erste Liga aufstieg

Ein Rückblick auf Wuppertal zwischen 1972 und 1976.

Wuppertal. Die Hippie-Bewegung hat ihre letzten Anhänger am Strand von Goa deponiert. Che Guevaras Porträt verschwindet von den T-Shirts. Streitbare Studentinnen finden es chic, in den Hörsälen zu stricken und ihre Babys zu stillen, neuerdings auch in Wuppertal, das 1972 zur Universitätsstadt wird und im selben Jahr eine Volkshochschule erhält.


Man schreibt den 23. November 1972, als sich mit der Inbetriebnahme des ersten neuen Schwebebahnzuges ein ungewohnter Farbklang ins Stadtgeschehen mischt - sehr zum Missfallen vieler Wuppertaler, die überzeugt sind, dass sie sich niemals an diesen Komplementärkontrast von Blau und Orange gewöhnen werden. In Wahrheit soll ihnen die Lackierung der öffentlichen Verkehrsmittel so sehr ans Herz wachsen, dass sie später gegen Werbeaufdrucke und schließlich auch gegen die Farben der nächsten Schwebebahngeneration opponieren werden.


Die bergische Seele muss sich noch mit ganz anderen Anblicken abfinden. Der Umbruch naht in Gestalt einer zierlichen jungen Frau aus Solingen, die Chefintendant Arno Wüstenhöfer an die Wuppertaler Bühnen geholt hat. Am 5. Januar 1974 bringt diese Pina Bausch mit ihrem Tanzabend „Fritz“ die Gäste im Barmer Opernhaus aus der Fassung. Nicht weniger revolutionär kommt elf Monate später die Uraufführung von „Ich bring dich um die Ecke“ daher. Die Wuppertaler Kulturszene ist gespalten, aber sie wird sich an die Tanzdarbietungen der Pina Bausch ebenso gewöhnen wie an das Blau-Orange der Schwebebahn, um schließlich überzeugt zu sein, nie mehr auf dieses Herzstück der Stadt verzichten zu können.


Während die Oberleitungsbusse aus dem Stadtbild verschwinden und das Sonnborner Autobahnkreuz seiner Eröffnung entgegenblickt, steigt im Stadion am Zoo ein anderer Stern auf: Der WSV schafft es 1972 in die Bundesliga, um schon in der ersten Saison auf Platz vier zu gelangen. Mit 21 Treffern ist WSV-Torschütze Günter Pröpper sogar dicht auf den Fersen von Gerd Müller und Jupp Heynckes. Dem Verein ist die Teilnahme am UEFA-Pokal 1973/74 sicher, aber er unterliegt in der ersten Runde mit 4:1 der Mannschaft von Ruch Chorzów, einem schwachen Gegner aus Polen.

Das Rückspiel, mit dem das Stadion am Zoo erstmals Austragungsort eines Europapokalspiels wird, gestaltet sich als Beinahe-Sensation. Denn der WSV kann nach einem 1:3-Rückstand schließlich noch einen 5:4-Sieg davontragen. Für das weitere Ringen um den Pokal reicht das Ergebnis allerdings nicht. 1974/75 folgt nach kurzem Höhenflug gar noch der Abstieg der Mannschaft in die 2. Bundesliga.


Richtungsweisend wird unterdessen der Besuch eines jungen deutschen Regisseurs in Wuppertal. Am 29. Oktober 1972 strahlt der WDR die erste Folge von „Acht Stunden sind kein Tag“ aus. Bis März 1973 dreht Rainer Werner Fassbinder noch vier weitere Folgen der Serie in der Stadt. Im Sommer 1973 folgt ihm Wim Wenders nach Wuppertal, um dort Teile des Roadmovies „Alice in den Städten“ aufzunehmen. Es ist eine einfache Geschichte um den Journalisten Philip Winter, der die neunjährige Alice durch Deutschland begleitet, um die Oma des Mädchens zu suchen. Wenders erhält dafür 1974 den Preis der deutschen Filmkritik und kehrt 36 Jahre später nach Wuppertal zurück, um den Tanzfilm „Pina“ zu drehen.


Zu den Drehorten von „Pina“ zählen auch die Kalksteinbrüche in Dornap. Dieser kleine, ehemals zu Wülfrath gehörende Fleck kommt im Rahmen einer Gebietsreform 1975 zu Wuppertal. Weitere Zugewinne sind Obensiebeneick, Schöller und Dönberg. Auch bei diesem Verwaltungsstreich hagelt es Proteste, vor allem in Dönberg, dessen Bevölkerung seit langem als eigen gilt. Zumindest in der Hinsicht wird die Eingewöhnung nicht schwer gefallen sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort