Leben im Denkmal (19): Das kleinste Altenheim ist eine Villa

Da wo einst die Reichen von Wuppertal wohnten, verbringen heute 15 ältere Menschen ihren Lebensabend.

Kothen. 15 ältere Menschen sitzen zusammen am Tisch im Wintergarten und frühstücken. Heinz Klewer sitzt im Rollstuhl. „Guten Morgen Frau Walter.“ Sie streichelt dem Mitbewohner über den Rücken. Harmonisch ist die Atmosphäre. Wie sie alle um den Tisch sitzen, könnte man fast von einer Alters-WG sprechen. „Eine WG sind wir nicht. Wir sind ein Altenheim“, sagt Jochen Schmidt, der seit einem Monat die Leitung des Carmen-Sylva-Hauses an der Schloßstraße übernommen hat. „Aber ein Heim in dem die Bewohner auch als Menschen zählen, und nicht wie Gegenstände behandelt werden.“

Heinz Klewer freut sich schon auf den Nachmittag. Malen steht auf dem Programm. In seinem Zimmer hat er sein liebstes Bild aufgehängt — seine Interpretation von Cézannes blauem Pferd. „Schön ist es hier“, sagt der Heimbewohner.

In einer kleinen Parkanlage steht das Altersheim — am Fuße des Kothener Berges. Eine herrschaftliche Zufahrt führt rauf zum Haupteingang der alten Villa und erinnert an den einstigen Reichtum in Wuppertal. Früher wohnte dort eine Fabrikantenfamilie — heute sind es die alten Menschen, die zusammen dort ihren Lebensabend verbringen. „Die Villa wurde während des Fin de Siècle erbaut“, sagt Ingrid Walter, die seit der Gründung des Altenheimes die gute Seele im Haus ist. Trotz moderner Nutzung sind heute noch Relikte aus der Bauzeit zu finden. Jedes Zimmer der Heimbewohner ist anders gestaltet. Stuckornamente, alte Kacheln und bemalte Fliesen wurden in Wände und Böden integriert. Die bunten Fenster im Treppenhaus verleihen der Villa einen ganz besonderen Charme. Bei jedem Aufgang über die massive Holztreppe knarrt es, als würde das Haus eine Geschichte erzählen.

Bevor das Altenheim die Villa bezog, war in der untersten Etage ein Waldorfkindergarten. Als der Eigentümer, der mit im Haus wohnte, seinen Wohnraum zur Nutzung anbot, konnte der Carmen-Sylva-Verein mit acht Patienten dort einziehen. „Hier oben ist der ,anthroposophische Berg’ und es verbreitete sich schnell, dass die Villa frei ist“, sagt Jochen Schmidt. Denn auch das Heim hat einen anthroposophischen Schwerpunkt. „Wir nehmen aber jeden Menschen auf. Viele haben gar nichts mit der anthroposophischen Lebensart zu tun.“ 1983 gründete sich der Verein, der sich nach einer Königin von Rumänien benannte. „Wir wollten Menschen einen Raum zum würdevollen Sterben geben“, erklärt Ingrid Walter. Sie erinnert sich noch an Zeiten, als das Thema Tod verschwiegen wurde. „Es war ein Tabuthema. Heute ist das anders.“

Als der Verein 2003 das komplette Haus kaufen konnte, halfen alle bei den Umbauarbeiten mit. „Wir mussten die neuen Auflagen erfüllen — Einzelzimmer mit eigenem Bad.“ Viele Stunden hat sie mit den Mitarbeitern beim Tapezieren und anderen Renovierungsarbeiten verbracht. Auch heute kann Walter auf die tatkräftige Unterstützung der Heimbewohner setzen. Willi Meyer beispielsweise hilft ihr gerne bei praktischen Arbeiten. Im Frühjahr darf er den Keller verputzen. Jochen Schmidt ist begeistert: „So wie das Haus erzählt auch jeder unserer Bewohner eine Geschichte. Sie passen einfach zusammen.“

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