Produzieren an der Schlagader der Arbeit

Wirtschaft: Die Wupper war der Lebensnerv der klassischen Industrie im Tal. Auch heute noch ist der Fluss wichtig für viele große Firmen

Wuppertal. Als im Jahr 1527 das berühmte Garnprivileg unterzeichnet wurde, hatten sich an den Wupperwiesen schon längst etliche Bleichereien niedergelassen. Das kalkarme Wasser der Wupper sowie weite Wiesen im Tal - das waren beste Voraussetzungen für den Beginn der Wirtschaft an der Wupper. Die Wupper und die Arbeit - sie gehörten offenbar zusammen. Später spricht der Schriftsteller Wilhelm Schäfer von der Wupper als "Proletarier unter den deutschen Flüssen". Else Lasker-Schüler nennt die Wupper eine "Schlagader der Arbeit".

1827 wurde dort ganz im Osten der Stadt die Firma Erfurt gegründet. Eine Papierfabrik (an der heutigen Hugo-Erfurt-Straße), für die das Wasser die Existenzgrundlage darstellt. Dicke Pappen, Notgeld, Dekopapier, Papier für Lebensmittelkarten - bevor der Weltmarktführer für überstreichbare Wandbeläge das heutige Kerngeschäft für sich entdeckte, ging es um viele andere Produkte. Aber für jeden Entstehungsprozess brauchte und braucht es das Wupperwasser. Schließlich entsteht das Endprodukt letztlich nur zu einem sehr kleinen Prozentsatz aus Papierfaser, aber zu 98 Prozent aus Wasser. Heute entnimmt Erfurt der Wupper etwa 700000 Kubikmeter Wasser pro Jahr.

Die für die Produktion einzusetzen, ist allerdings viel einfacher als früher. Denn mittlerweile läuft das Wasser nur noch durch einen Filter. Früher, als das Wasser je nach Lage rot, grün, gelb oder alles zusammen war, musste das Wasser noch deutlich aufwändiger gereinigt werden.

Direkt am Werk gibt es zudem längst ein Sperrwerk mit einer Fischtreppe. Auch deshalb hat der Fluss vor dem Werk ein ständig gleich bleibendes Niveau. Und das gewährleistet, dass durch die Leitungen nicht etwa Luft, sondern wirklich Wasser ins Werk gezogen wird.

Noch mehr Wasser als die Firma Erfurt braucht das Unternehmen Sachsenröder an der Friedrich-Engels-Allee. Ebenfalls ein Marktführer (Vulkanfiber) und mit dem Gründungsdatum 1881 ebenfalls eine Traditionsfirma. Bis zu eine Million Kubikmeter Wupperwasser darf Sachsenröder entnehmen. Ein Volumen, dass die Firma schon wegen der Wassergebühr an den Wupperverband ständig zu senken versucht.

Das Wasser wird beispielsweise zum Waschen in der Pergamentierstraße gebraucht. Die Waschstraße recycelt bis zu 97 Prozent der eingesetzten Säure, die restlichen drei Prozent werden nach strengen Auflagen neutralisiert. Aufwändige Genehmigungen für hochwassergeschützte Betonbecken gehören dazu. Firmenchef Dirk Sachsenröder spricht von immer neuen Erlaubnissen mit immer neuen Bestimmungen zur Wasserreinigung - und von einer sich ständig verbessernden Wasserqualität, die die Firma auch selbst spürt. Denn auch bei Sachsenröder muss das Wasser mittlerweile weit weniger aufwändig als früher vorgereinigt werden.

Auf rund 150 Metern verläuft die Wupper vor dem Werk, im Jahr 1881 wurde der Verlauf in dem damaligen Industriegebiet eigens dafür geändert. Die Vorteile: Ein gleichmäßige Fließgeschwindigkeit, wenig Schwankungen, kaum Hochwasser - alles ist kontrolliert, damit die Saugpumpen ihre Arbeit störungsfrei verrichten können.

Heute arbeitet Sachsenröder mit der Bergischen Universität und der Effizienzagentur zusammen, um möglichst ressourcenschonend vorgehen zu können.

Wie sich der Umgang mit dem Wupperwasser verändert hat, zeigt sich auch am Bayer-Standort in Elberfeld besonders deutlich: 5000 Kubikmeter Wupperwasser hat das Bayer etwa bis zum Jahr 1900 täglich benötigt. Heute sind es noch 470 Kubikmeter pro Tag für den Betrieb. Früher wurde ungereinigtes Wasser für Kühlzwecke über zwei Brunnen entnommen. Und auch heute noch wird das Wasser zu 98 Prozent als Kühlwasser für die Produktion benötigt. Der Rest fließt in den Betrieb der so genannten Abluftwäscher, so dass am Ende nur Waserdampf aus dem Schornstein tritt. Und natürlich sind in Sachen Umweltschutz längst Kläranlagen im Betrieb.

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