Boxen: ASV kämpft für Pinar Yilmaz

Der Deutsche Boxsportverband hat das Ausscheidungsduell um die EM-Teilnahme neu angesetzt. Pinar Yilmaz fühlt sich gemobbt.

Pinar Yilmaz ist am Boden zerstört. Die Fliegengewichtsboxerin des ASV Wuppertal sieht sich um ihre Olympia-Chance gebracht und vom Deutschen Boxsport-Verband (DBV) gemobbt. Wie berichtet, hatte die 23-Jährige am vergangenen Freitag in der Sportschule Hennef einen Ausscheidungskampf um die EM-Teilnahme gegen ihre größte deutsche Konkurrentin, Azize Nimani, knapp gewonnen. Das Ergebnis wurde auf Initiative der beiden Bundestrainer Roland Kubath und Zoltan Lunka aber als Fehlurteil eingestuft und der Kampf von der Leistungsportkommission des Deutschen Boxsport-Verbands für übermorgen neu angesetzt. Gestern erklärte Yilmaz, nicht antreten zu wollen, nervlich auch nicht mehr boxen zu können. Das hieße aber laut DBV, dass automatisch Nemani zur EM fahren würde.

Während DBV-Sportdirektor Michael Müller die Neuansetzung als „normalen Vorgang“ bezeichnet, hat Harald Nowoczin, Präsident des ASV Wuppertal, gestern einen Fachanwalt eingeschaltet, der vor dem Sportgericht des DBV gegen die Neuansetzung Einspruch erheben will. „Wenn Funktionäre Dinge ansetzen und kennen selbst die Regeln nicht, ist das eine Absurdität“, sagte Nowoczin der WZ. Hier entstehe der Eindruck, dass Azize Nimani von einer starken Lobby protegiert werde. Die 20-Jährige, die als Flüchtling aus dem Kosovo nach Deutschland kam, wurde bei ihrem Verein Boxring Eintracht Berlin von Clubchef Harald Lange, der auch Manager im Sauerland-Boxstall ist, unter die Fittiche genommen. Sie sollte zur Olympiahoffnung aufgebaut werden. Dafür wechselte sie an den Bundesstützpunkt nach Heidelberg, wo sie nun von Kubath und Lunka betreut wird.

An den Deutschen Meisterschaften in Straubing — eigentlicher Qualifikationswettkampf für die EM — hatte Nimani wegen einer Schulterverletzung nicht teilnehmen können, wie berichtet, aber auf Anregung des DBV und mit Zustimmung der Deutschen Meisterin Pinar Yilmaz, die Möglichkeit für den Ausscheidungsduell bekommen.

Dessen Umstände sind es, die Yilmaz, Nowoczin und dem ASV-Boxabteilungsleiter André Vogel die Zornesröte ins Gesicht treiben. Zunächst erschienen nur drei der fünf geladenen Kampfrichter. Zwei, die aus Süddeutschland kamen, steckten im Stau. Direkt nach dem Kampf zweifelten dann die Bundestrainer das Urteil des Trios an, das wie die am Nachwuchsstützpunkt Köln stationierte Yilmaz zum Boxverband Mittelrhein gehörte. „Vorher haben alle noch erklärt, sie wären mit den Umständen einverstanden. Gibt es eine Regel, dass man so lange kämpft, bis die gewünschte Siegerin feststeht?“, fragt Vogel provokativ und nennt auch andere Umstände höchst dubios. So gebe es immer noch keine schriftliche Begründung der Neuansetzung. Am Montag sei noch erklärt worden, dass es keinen Protest geben werde.

DBV-Sportdirektor Michael Müller wollte von einem Durcheinander nichts wissen. „Unsere Aufgabe ist es, alle Sportler so fair wie möglich zu behandeln.“ Die nachträgliche Videonalyse habe ergeben, dass die Kampfrichter beim Duell Yilmaz — Nemani „nicht nur einmal falsch gedrückt haben, sondern eine Linie erkennbar war“. Das hätten „mehrere erfahrene Leute“ bestätigt. Bei den „erfahrenen Leuten“ handelt es sich laut Bundestrainer Roland Kubath um ihn, seinen Kollegen Lunka und einen Diagnosetrainer des DBV. Das Video sei auch an die Schiedsrichterkommission geschickt worden.

Pinar Yilmaz reiste gestern aus Hennef ab. „Unter den Umständen hier ist auch ein Training kaum möglich,“ sagte sie nervlich schwer angeschlagen ob der offensichtlichen Bevorzugung von Nemani. Nur ein Beispiel: Ein ausländisches Fernsehteam habe die gesamte Deutsche Mannschaft gefilmt — nur nicht Yilmaz.

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