Bodybuilding: Leiden für den Traum von einem perfekten Körper

Portrait: Der Wuppertaler Stefanos Gkotses will in die Profi-Liga der Muskelmänner vorstoßen. Dem ordnet er sein ganzes Leben unter.

Wuppertal. Der Wettkampf naht — und Stefanos Gkotses fühlt sich von Tag zu Tag schwächer. Dabei hat der 26-Jährige Schultern, so breit wie ein Kleiderschrank, und baumwurzeldicke Oberarme — doch sein Gang ist schleppend und sein Blick müde. Die vergangenen Wochen hat Gkotses kaum geschlafen. Seitdem sich der Bodybuilder auf die Westdeutsche Meisterschaft vorbereitet, spielt sein Körper verrückt. Gkotses will gewinnen. Dafür leidet er.

Abend für Abend stemmt Gkotses in der Kraftfabrik an der Wolkenburg schwere Gewichte. Die Luft ist feucht und riecht scharf nach Männerschweiß. Hardcore Gym nennt sich das Fitnessstudio auch — dort trainieren nur Männer, und auch nur solche, die ihren Sport sehr ernst nehmen und sich selbst als Eisenbrecher bezeichnen. Hier werden nur Hanteln gestemmt — Aerobic-Kurse überlässt die Kraftfabrik an deren Studios. An den Wänden hängen Fotos von ölglänzenden Muskelmännern, aus den Boxen dröhnt Rammstein. Die Kraftfabrik ist so etwas wie Gkotses’ zweites Zuhause.

Ein schweres Metallkreuz baumelt über dem gewaltigem Brustkasten des 26-Jährigen, um den Kopf hat ein rotes Tuch geschlungen. Früher, erzählt der 1,82-Meter-Mann, sei er ein dünner und schüchterner Junge gewesen. „Mich erkennt jetzt keiner mehr aus der Schule“, erzählt Gkotses aber sichtlich stolz.

Um seine heutige beeindruckende Statur zu erreichen, hat er die vergangenen 10 Jahre unerbittlich an sich gearbeitet. Gerade hat er wieder seine sogenannte Aufbauphase abgeschlossen, bei der er in einem fort seine täglichen 8000 Kalorien zu sich nehmen musste, um den Muskeln die nötige Nahrung zu geben. Seine Tagesration: ein Kilo Fisch, ein Kilo Huhn, 20 Eiweiß, ein Kilo Reis — alles ungewürzt und ohne Soße —, ein halbes Kilo Haferflocken, Gemüse und jede Menge Nahrungsergänzungsmittel. All dies stopfte er täglich in sich hinein — bis er Atemnot bekam und das Gefühl hatte zu ersticken.

Jetzt, beim WZ-Termin wenige Wochen vor seinem Auftritt, hält er strikte Diät, um seinem Körper jedes mögliche Gramm Fett abzuringen — beim Bodybuilding hat man nur dann Siegchancen, wenn die Muskeln sich sodeutlich wie möglich direkt unter der Haut abzeichnen. Weil er nicht einmal mehr Obst zu sich nimmt ist Gkotses inzwischen permanent unterzuckert. Tagsüber kann er sich nicht mehr konzentrieren, nachts kaum schlafen. Er ist erschöpft und gereizt zugleich, bei jeder Kleinigkeit flippt Gkotses aus.

Für sein Umfeld sind die Stimmungsschwankungen eine echte Belastungsprobe. Erst im April ist seine Freundin Tanja zu ihm gezogen, nun lernt sie ihn von einer anderen Seite kennen. Normalerweise könne Stefanos keiner Fliege etwas zuleide tun, erzählt sie. Aber momentan brauche sie Nerven wie Stahl. Von seiner Arbeit als Zerspanungsmechaniker hat der Bodybuilder sich schon vor Wochen beurlauben lassen. Sein tägliches Training setzt er jedoch unerbittlich fort.

Damit greift er zu den Hanteln, fängt an zu pumpen, versucht, seine Müdigkeit zu überwinden.Wieder und wieder hebt er das schwere Metall an den Körper, bis es nicht mehr geht. 210 Kilogramm beim Bankdrücken, das war sein Rekord im vergangen Winter — bis sein Brustmuskel riss. Die OP liegt nur wenige Monate zurück, doch Gkotses arbeitet an seinem Comeback — und träumt vom Sprung in die Bodybuilding-Profiliga. Wieder und wieder reißt er die Hanteln empor. Das Gesicht schmerzverzerrt, beobachtet er im Spiegel, wie die Adern an seinem Körper hervortreten und sein Bizeps anschwillt. Mit akribischem Blick beobachtet er die kleinste Veränderung an seinem Äußeren Körper. „Die meisten denken, man trainiert nur vor sich hin“, erklärt er. „Aber das ist nicht so. Man versucht etwas zu schaffen: den perfekten Körper.“

Der hat allerdings seinen Preis. Der Kampf um Ruhm und Anerkennung lässt viele Bodybuilder zu fragwürdigen Methoden greifen, wie Sportmediziner Thomas Hilberg von der Uni Wuppertal bestätigt. Obwohl illegal, sind Anabolika im Internet und in vielen Studios unter der Hand leicht erhältlich. Auch Insulin wird in einschlägigen Internet-Foren als Wundermittel gepriesen. Manche Bodybuilder, so ist dort zu lesen, gehen gar so weit, sich Speiseöl in die Muskeln zu spritzen.

Gkotses distanziert sich zwar von diesen Methoden — doch was er tut, um seinen Körper in Form zu bringen, ist drastisch genug. Damit Adern und Muskeln beim Wettkampf stark hervortreten, entzieht er seinen Körper durch die Einnahme von Kalium massiv Wasser. 24 Stunden vor dem Wettkampf hört er schließlich ganz auf zu trinken. „Das ist gefährlich“, gibt der 26-Jährige zu.

Weil in den Gelenken Flüssigkeit fehlt, steigt die Verletzungsgefahr. Herzrasen, Schwindel bis hin zu Bewusstseinsstörungen können als Folge des Wasserentzugs auftreten. Einmal hat Gkotses selbst erlebt, wie ein Bodybuilder auf offener Bühne ohnmächtig zusammenbrach. Abgeschreckt hat ihn das aber nicht. „Sich einmal in dieser Form zu sehen“, schwärmt er, „ist die monatelange Anstrengung wert.“ Dass sein Körper vor dem Wettkampf so ausgetrocknet und geschwächt ist, dass ihm sogar die Augen immer wieder zufallen, nimmt er bereitwillig in Kauf.

Seine Freundin Tanja ist es dann, die ihn zum Wettkampf fährt, und sich um ihn kümmert — bis zum Auftritt. Dann heißt es für Gkotses: Raus auf die Bühne, Augen auf, die Muskeln spielen lassen. Wer Schwäche zeigt, hat schon verloren.

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