Normal in Wuppertal 4: Ein Tätowierer, bekannt wie ein bunter Hund

Peter Karlsruhen ging schon immer seinen eigenen Weg – im Leben und bei seiner Arbeit als Tätowierer. In Teil 4 der WZ-Serie "Normal in Wuppertal" berichtet er aus seinem ziemlich bunten Berufsleben.

Wuppertal. Peter Karlsruhen lehnt sich entspannt zurück und nimmt einen Schluck von der Rum-Cola. Er sitzt im Biergarten seiner Stammkneipe, dem Katzengold, kurz bevor es wegen der Erweiterung in die Sommerpause gegangen ist. Er hebt dann und wann die Hand und grüßt. Er ist bekannt in der Stadt. "Ich war immer schon ein Sonderling", sagt er und schaut auf seine Hand, die bestückt ist mit schweren Ringen.

Der 41-Jährige ist Tätowierer von Beruf. Bis auf den linken Oberschenkel und die Füße ist sein gesamter Körper überzogen mit "Kunst auf der Haut". "Es war nie mein Ziel nur aufzufallen, aber ich hab mich an die Blicke gewöhnt." Mit 17 begann er, sich für Tattoos zu interessieren, besonders das Graphische daran habe ihn fasziniert.

Sein erstes Tattoo entwarf er selbst. "Meine Eltern fanden es schrecklich, aber ich blieb dabei." 1996 fing er an, selbst zu tätowieren. Zunächst zu Hause, dann in einem eigenen kleinen Studio in der Wiesenstraße. Seit sieben Jahren gibt es das "Kraftwerk" im Luisenviertel. "Mittlerweile ist mein Vater stolz auf meine Arbeit, und meine Mutter hat damit zu Leben gelernt."

Wenn Karlsruhen erzählt, strahlt er pure Gelassenheit aus. Es ist die Gelassenheit eines Mannes, der nicht mal ein Handy besitzt, der entweder da ist, oder eben nicht. Wenn nicht, dann klebt ein Zettel am Schaufenster seines Ladens: "Hi Leute, bin in Berlin - auf bald."

Auch dort arbeitet er in einem Studio. "Ich wollte nie ganz weg aus Wuppertal. Die Stadt war mal eine richtige Keimzelle für alles Neue", sagt er und zählt auf: Peter Brötzmann, Peter Kowalt, Hans Reichel, aber auch die Jazz-Club-Kellerszene und in den 70ern die ersten Punkbewegungen. "Hier war viel los - das ist für mich immer noch Wuppertal."

Der Job an sich, sagt Karlsruhen, macht ihm einfach viel Spaß. Bei der Arbeit kann er sich frei entfalten und sein Leben so einrichten, wie er es will. Jeden Tag neue Herausforderungen: neue Motive, andere Körperstellen, andere Haut und andere Menschen.

Seine älteste Kundin im Laden in Berlin war 89 Jahre alt, sagt er. Nach dem Tod ihres Mannes habe sie sich ihren Traum, ein Tattoo, erfüllt. Karlsruhens eigenes Lieblingsmotiv ist das Wasser. Ihn fasziniert die Energie, "es ist nicht greifbar, immer in Bewegung", und das passt scheinbar auch zu seinem Lebensmotto. Er lebt im Hier und Jetzt. Keine Normen, keine Regeln, nichts, was ihn festlegt.

"Tattoo-Peter", wie viele ihn nennen, wuchs im Briller Viertel auf. "Sozialisiert worden bin ich aber auf der Straße", sagt er. Er führte das Leben eines Jugendlichen, der seine eigenen Wege ging, der bei der Abi-Feier an der Herderschule anstelle eines Anzugs ein Ripp-Unterhemd trug, der sich nie in eine Szene einordnen wollte und äußerlich noch am ehesten als Punk durchging.

Karlsruhen trägt, was ihm gefällt. Und was bei anderen vielleicht trashig erschiene, wirkt an dem Mann aus Elberfeld stilvoll. Sah man ihn lange mit einem Pik-Ass am Hut, trägt er nun Vollbart, lange Haare und Cowboystiefel. Schubladendenken ist bei "Tattoo-Peter" nicht angebracht.

Auch von einer Tattoo-Szene will er nicht viel wissen. Das ist "Mainstream". "Wäre ich heute 19, hätte ich vielleicht kein einziges Tattoo." Damals sei das Provokation gewesen. "In den 80er Jahren waren Tätowierungen ein unwiderrufliches Zeichen der Abgrenzung. Heute wirken sie wie ein Magnet - sie sind cool."

Die Lebensphilosophie des 41-Jährigen ist schwer zu fassen. Sie bewegt sich irgendwo zwischen seiner Eigentumswohnung am Brill und Party zu Rock’n’Roll-Musik, zwischen Wuppertal und Berlin, zwischen Hardrockfestival und Segelturn. Gegensätze machen die Würze aus: "Ich lebe meinen Traum. Ich bin gesund, gehe meiner Leidenschaft nach, bin ständig unterwegs - anders will ich es nicht."

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