Peter Brötzmann: „Wir sind dabei, einzuschlafen“

Der Jazz-Musiker stellte im Café Ada an der Wiesenstraße sein neues Buch vor.

Wuppertal. Peter Brötzmann will unzufrieden bleiben: „Ich hätte nichts dagegen, wenn mal wieder mehr Unmutsbekundungen kommen, wir sind dabei, einzuschlafen“, sagte der honorierte Jazz-Musiker am Donnerstagabend im Café ADA. Dort stellte er zusammen mit dem Bochumer Philosophen und Publizisten Christoph J. Bauer sein neues Buch „Brötzmann: Gespräche“ vor.

Wie es von einem Musiker, der sich um den Free-Jazz verdient gemacht hat, nicht anders zu erwarten war, folgten die 50 Zuhörer einem improvisierten Salon-Gespräch, in das sie sich einbringen konnten. Wer sich mit Brötzmanns Biografie beschäftigt, der bekommt den Eindruck, dass der in Remscheid geborene Jazz-Saxophonist allen Grund zur Zufriedenheit hätte:

Wie kein anderer hat er das Basssaxophon im Free-Jazz — letzteres übrigens von Brötz—mann mit einem normalen „a“ ausgesprochen — etabliert. Für seine lebendige Spielweise hat sich im Genre der Ausdruck „brötzen“ eingebürgert. Mit dem international besetzten Ensemble „Chicago Tentet“ reiste Brötzmann kürzlich von Tampere in Finnland nach Giulianova in Italien.

„Manche haben es sich in der Gruppe zu bequem gemacht“, erklärt Brötzmann. Bevor er mit dem Ensemble einschlafe, will der 71-Jährige unzufrieden bleiben, schließlich berge die Unzufriedenheit künstlerische Schaffenskraft.

Also zog er im November die Reißleine und verkündete das Aus des renommierten Tentets. Seine Fans kann er derweil beruhigen: „Es wird sicherlich mit einem großen Ensemble weitergehen“. Wie, das konnte er jedoch noch nicht sagen. Vielleicht, weil der Weg dann zu festgelegt sei — wie in der heutigen Kunstszene. Wer Brötzmann hört, der begegnet einem Kulturpessimisten, der sich mit scharfen Worten gegen die musikalischen Akademien — von ihm „Konsistorien“ genannt — wendet: „Free-Jazz als Fach zu lehren, ist ein Widerspruch in sich.“ Musik könne sich nur entwickeln, wenn man sie spiele.

Dafür böten sich Nachwuchsmusikern allerdings immer weniger Chancen, früher sei Wuppertal etwa ein Zentrum für neuinszenierte Musik gewesen. „Es gab in den 60ern in Holland in jedem Kuhdorf einen Jazz-Club, wo man sich austoben konnte“, sagte Brötzmann. Doch diese Zeiten seien vorbei. Ob man Brötzmanns Einschätzungen nun teilt oder nicht — im Publikum regte sich eher Widerstand: Sorgen darum, dass Brötzmann einschlafe, müssen sich seine Fans derweil nicht machen. Der Meister des Free-Jazz bleibt unzufrieden.

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