Zum fünften Mal am Kreuz: „Jesus ist man nicht mal eben“

Herr Galluzzo, Sie mimen den Jesus zum fünften Mal. Ist das schon Routine?

Zum fünften Mal am Kreuz: „Jesus ist man nicht mal eben“
Foto: U. Schinkel

Gerlando Galluzzo: Überhaupt nicht! Es ist jedes Jahr eine neue Herausforderung und immer wieder sehr aufregend.

Zum fünften Mal am Kreuz: „Jesus ist man nicht mal eben“
Foto: Andreas Fischer

Was empfinden Sie, wenn Sie als Heiland verraten werden, das Kreuz tragen und daran sterben müssen?

Galluzzo: Natürlich weiß ich: Ich werde nicht wirklich brutal zusammengeschlagen und steige auch lebendig vom Kreuz herunter. Trotzdem ist es sehr intensiv: Jesus ist bewusst für uns Menschen gestorben. Das geht mir sehr nahe und verursacht Gänsehaut.

Ihre Premiere als Jesus ist zehn Jahre her. Haben Sie sich entwickelt?

Galluzzo: Ich habe viel Erfahrung hinzugewonnen, kann mich besser in die Rolle hineinversetzen. Anfangs lag der Schwerpunkt darauf, den Text zu beherrschen. Heute konzentriere ich mich auf Mimik, Gefühl und Ausstrahlung, denn es soll keine Fassade sein. Wir möchten nichts vorspielen, sondern den Kreuzweg so authentisch wie möglich darstellen.

Wie sehr identifizieren Sie sich mit Jesus?

Galluzzo: Ich bin nur ein Mensch, kein Heiliger. Aber Jesus ist ein ideales Vorbild. Man kann sich Eigenschaften herauspicken, zum Beispiel Aufrichtigkeit, Nachsicht und Ernsthaftigkeit. Mich hat die Rolle sehr geprägt. Als man sie mir mit 23 Jahren das erste Mal angeboten hat, habe ich erst zugesagt, als ich bereit war. Das macht man nicht mal eben.

Möchten Sie auch mal der Judas sein?

Galluzzo: Nein. Judas hat seinen Freund verraten. Aus Geldgier, Hass, Selbstüberschätzung - es gibt viele Auslegungen. Das finde ich schwierig. Lieber würde ich als Soldat oder Jünger die Prozession nahe bei Jesus genießen. Einmal war ich vertretungsweise der reuige Verbrecher, der rechts von Jesus am Kreuz hängt und mit ihm ins Paradies will. Vorher habe ich entweder als Ordner oder Techniker mitgewirkt.

Vom Ordner zur Hauptrolle — das ist ein großer Sprung.

Galluzzo: Ja, obwohl es keinen klassischen Werdegang gibt. Viele gehen dennoch zunächst als Jünger, Soldaten oder Hohepriester mit. Ich bin sehr stolz auf meine Rolle. Sie zeugt von großem Vertrauen seitens der Gemeinde.

Ihr Aussehen passt zu der geläufigen Jesus-Vorstellung.

Galluzzo: Absichtlich. Normalerweise trage ich meinen Bart und meine Haare kürzer. Aber für die Rolle habe ich beides wachsen lassen. An der Waschstraße bin ich sogar einmal darauf angesprochen worden, dass ich wie Jesus aussehe. Ich sagte: „Ja, ich stelle wirklich Jesus dar.“ Aber das haben die Leute nicht ernst genommen.

Was ist das Schönste an der Prozession für Sie?

Galluzzo: Wenn Menschen am Ende zu mir sagen, ich hätte ihr Herz berührt. Dann spüre ich: Glaube verbindet, egal, welche Sprache man spricht. Das gibt Hoffnung und Kraft für das gesamte restliche Jahr. Es ist wie ein Lichtblick, eine helle Seite des Lebens.

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