Horst Pohlmann: Ein halbes Jahrhundert in den Turmterrassen

Horst Pohlmann, Urgestein des Nordstädter Bürgervereins, wird am Samstag 80.

Barmen. „Meine Schwester Ruth und ich haben weiße Tücher aus dem Turm gehalten und uns ergeben, als vier Panzer unser Haus ins Visier nahmen — das war 1945 - wir haben praktisch unser Heim gerettet“, erinnert sich Horst Pohlmann, der 1939 mit seinen Eltern in den Nordpark zog und die ein Jahr später das Restaurant „Turmterrassen“ eröffneten. Am Samstag wird das Urgestein des Nordstädter Bürgervereins 80 Jahre alt — und blickt auf ein ereignisreiches Leben rund um die Terrassen zurück.

Im Anbau nebenan, der 1957 abgerissen wurde, wohnte damals Bauer Lindemann, der die Menschen am Leimbach mit Milch versorgte. Riesige 16 Morgen Land umfasste das Areal, das von der Stadt als Generalpacht an die Pohlmanns untervermietet wurde — Obsthöfe, Wiesen und der heutige Wildgehege-Bereich bildeten ein schier unendliches Grundstück, das jedoch im Krieg nicht verschont blieb. „Unterhalb der Obstwiese schlug 1943 eine Luftmine ein, wodurch die Scheiben im Haus zerbarsten und Teile des Gebäudes beschädigt wurden“, erzählt Pohlmann.

Nachdem Pohlmanns Vater im Krieg gefallen war, führte Mutter Klara die „Turmterrassen“ weiter. Bei „Dünnbier“ und „Ersatzkaffee“ trafen sich die Menschen, während die „Engländer“ das Restaurant als Kantine nutzten und „abends gern zu Liedern der Kappelle Mix mit den deutschen Frauen tanzten“, erinnert sich Pohlmann. „Es gab viel Nachholbedarf, und eine Flasche „Schwarzgebrannter“ kostete 200 Reichsmark — häufig gab es Schlägereien wegen der Frauen“, denkt der noch 79-Jährige an die Zeiten bis 1951 zurück.

Während Horst Pohlmann bei der Konditorei Löwer seine Lehre beendet und bis 1953 etwa bei Café Huth oder Lungstrass als Konditorgeselle die Familie finanziell unterstützt hatte, stand es um die „Turmterrassen“ schlecht — Mutter Klara wollte schließen. „Mit einem einfachen Ofen und einem Apfelkuchen ging es dann weiter“. Auch nach 1973, dem Jahr, als die Mutter starb und Pohlmann die Konzession erhielt, wurden die „Turmterrassen“ zum beliebten Treffpunkt für Gesellschaften aller Art.

Tatkräftig unterstützt wurde der passionierte Koch von seiner Frau Eva-Maria, die er 1954 eben dort kennenlernte. Seit 55 Jahren sind die beiden verheiratet, haben einen Sohn und eine Tochter sowie vier Enkel. „Wir haben viel gearbeitet, aber auch viel Spaß gehabt“, sagt die Ehefrau zurückblickend. Ob Hans-Dietrich Genscher, der zum traditionellen Wildessen geladen war, oder Stammgast Johannes Rau, mit dem Pohlmann die Schule in der Schützenstraße besuchte — alle fühlten sich dort wohl. Für ihre Kaffee- und Kuchentafel und den selbst gebackenen Christstollen waren die „Turmterrassen“ eine der ersten Adressen im Tal.

Am 30. Juni 1991 setzten sich die Gastronomen zur Ruhe und genießen das Leben seitdem in vollen Zügen. Stolz berichtet Eva-Maria Pohlmann vom diesjährigen Herbstfest des Nordstädter Bürgervereins, bei dem ihr Mann 1955 eintrat und Beiratsmitglied ist: „Wir waren die letzten auf der Tanzfläche — durch unsere Aktivitäten bleiben wir lebendig.“

Sein Resümee zurzeit in den „Turmterrassen“ ist eine Liebeserklärung: „Ein halbes Jahrhundert waren wir dort — und wir bereuen nichts. Ach, wat war dat schön.“ Er hofft, dass die Tradition unter dem neuen Besitzer Marcel Thomas weiterlebt.

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