Geschichte aus erster Hand

Die Zeitzeugin Ilsabe Platte (91) erzählte Schülern des CFG von Flucht und Vertreibung.

Geschichte aus erster Hand
Foto: A. Schwartz

Cronenberg. Das war ein Unterricht der besonderen Art für die Schüler im Leistungskurs Geschichte. Ilsabe Platte war zu Gast im Carl-Fuhlrott-Gymnasium, bei jungen Menschen, die im Frühjahr ihr Abitur machen werden. Ilsabe Platte ist 91 Jahre alt. Und zum Unterrichtsthema Nationalsozialismus, Flucht und Vertreibung hat sie eine Menge zu erzählen. Robin Oertel aus dem Geschichtskurs: „Das wird interessant, hat unsere Lehrerin gesagt — das war eher untertrieben. Wir waren begeistert.“

Ilsabe Platte ist eine geborene von Stülpnagel, stammt aus einer Familie, aus der etliche Offiziere hervorgegangen sind. Teile der Familie waren am Widerstand gegen Hitler beteiligt, auch am Attentat. Onkel und Schwager bezahlten das mit ihrem Leben. Etliche Größen der Zeit, die Schüler heute nur aus Büchern kennen, hat Platte erlebt. Hat Hindenburg die Hand geschüttelt. Ihr Vater war General.

Sie war nur wenige Jahre älter als ihre Zuhörer, als sie zum Flüchtling wurde. Aus Schlesien, wo sie eine landwirtschaftliche Lehre auf einem Gut machte, vor der anrückenden Roten Armee Richtung Dresden. Wo sie den großen Luftangriff überlebte. In dieser Zeit hat sie Tagebuch geführt. „Das ist keine Bettlektüre“, sagt Platte. Und Robin findet: „Das war überraschend heftig.“

„Sie hat auch Verbindungen zur heutigen Zeit gezogen“, sagt die Schülerin Vanessa Eberhardt. Massenhaft Flüchtlinge, alle auf einer Straße irgendwohin — „man hat eine andere Sichtweise darauf, wenn man sowas mitgemacht hat“, sagt Robin. Platte möchte den Schülern etwas mitgeben. Zum einen: „Es gibt im Leben Herausforderungen, mit denen man nicht rechnet. Man kann mehr leisten, als man sich zutraut.“ Zum anderen: „Wir können dankbar sein für 70 Jahre ohne Krieg. Ich möchte die jungen Leute ermuntern, politische Verantwortung zu übernehmen. Etwas Gemeinnütziges zu tun. Sie haben heute die Gelegenheit, etwas zu unternehmen. Wir hatten damals Angst.“

Ilsabe Plattes Tagebuch steht in zwei Exemplaren in der Schulbibliothek des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums. Schon mehrfach war sie bei Schülern zu Gast und hat erzählt, Fragen beantwortet. „Das hat sich so ergeben“, sagt sie, „es hat sich herumgesprochen.“

Robin: „Sie hat erzählt, als ob es gestern gewesen wäre. So viele Details. Und sie war dabei richtig fröhlich.“ Eine wesentliche Rolle bei ihrer positiven Lebenseinstellung spielt ihr Glaube. Platte: „Ihm verdanke ich es, dass ich diese Zeit überstanden habe.“

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