Elberfelder erinnern sich: Unsere Kindheit am Island

Thalia, Straßenbahn & Co.: Christa und Hans Nolte blicken zurück.

Elberfelder erinnern sich: Unsere Kindheit am Island
Foto: Andreas Fischer

Elberfeld. Quietschend fährt die Straßenbahnlinie 1 am Café Piccoli vorbei. Am Wall grüßt der Fahrer den Schutzmann, der auf der Kreuzung den Verkehr regelt. „Weihnachten wurden ihm Päckchen an seine Insel gelegt“, erinnert sich Hans Nolte und weiß auch noch, welche Marotten sein Großvater hatte. „Wir halten alle fest und treu z’amm’n“, pflegte er zu sagen und erntete dafür den Spitznamen Zamm.

Die alte Kreuzung ist umgebaut. Zamm und der Schutzmann sind längst tot. Es gibt keine Straßenbahn mehr, von der man auf Elberfelds ganzen Stolz blicken könnte: das Thalia-Theater, an dessen Stelle heute das Sparkassenhochhaus steht. Von der Aue 106, wo Hans Nolte 1935 geboren wurde, waren es nur wenige Schritte zum Island, das am alten Thalia vorbeiführte. „Als Kind haben mich meine Eltern ein Mal dorthin mitgenommen, aber ich weiß nicht mehr, was da aufgeführt wurde“, erzählt Christa Nolte. 1937 am Island geboren, wäre sie ihrem Hans schon in Kindertagen sehr nahe gewesen. Aber die beiden lernten sich erst in den frühen 50er Jahren in einem völlig veränderten Elberfeld kennen.

„Schwarze Fäden, die sich vom Himmel senkten“, so sieht Hans Nolte es heute noch vor Augen. Mehr als 70 Jahre sind seither vergangen — seit jenem furchtbaren Bombenangriff auf Barmen. Weil die Eltern wussten, dass Elberfeld folgen würde, schickten sie Hans 1943 ins österreichische Bad Aussee. Dort erfuhr er aus dem Radio von dem unvermeidlichen Angriff. „Eine Mokkatasse stand unversehrt auf den Trümmern des Hauses“, berichteten die Eltern, die sich in den Bunker am Döppersberg hatten retten können. Hans kam mit der Mutter im Dezember 1945 zurück ins zerstörte Elberfeld.

Dem Bruder gelang es recht bald, im Kolkmannhaus ein Herrenbekleidungsgeschäft zu etablieren. „Ich kann heute noch Kleidungsgröße taxieren“, sagt Hans Nolte, der oft die Schule schwänzte, um im Laden auszuhelfen. 1956 schaffte er trotz allem sein Abitur im Gymnasium Bayreuther Straße. Inzwischen war er schon mit Christa befreundet, die im Krieg ebenfalls evakuiert worden war, um das Elternhaus und die gesamte Innenstadt zerstört wiederzufinden. Treu und fest zusammen blieb das Ehepaar Nolte . Singapur und Kanada sind ihre meistbesuchten Reiseziele, denn dort leben zwei der drei Kinder. Hans und Christa sind derweil bodenständig geblieben, nur dass sie inzwischen hoch über dem Elberfelder Zentrum an der Friedenshöhe leben. An der Wand des Wohnzimmers hängen als seltene Schmuckstücke zwei Bundesverdienstkreuze für ihr ehrenamtliches Engagement. Hans Nolte war Richter, Christa arbeitete als „grüne Dame“ im Krankenhaus.

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