Wohnen im Bahnhof Hahnenfurth

Moritz Iseke lässt derzeit das alte Gebäude sanieren. Dort sollen Wohnungen entstehen.

Dornap. Der gelbe Zettel fällt auf inmitten des weißen Staubs auf der Baustelle. „Ein Gepäckschein von 1964“, entziffert Moritz Iseke die Inschrift. Ein Andenken an die ehemalige Nutzung. „Direkt mal aufbewahren“, sagt Iseke und steckt das Papier ein. So einiges Skurriles sei bei der Sanierung des Hahnenfurther Bahnhofs aufgetaucht, erzählt der 47-Jährige schmunzelnd beim Rundgang.

Sein Highlight? „Ganz klar, der eingemauerte Revolver.“ Ein russisches Fabrikat, datiert auf 1914. Warum das in der Bahnhofsmauer landete, ließ sich nicht mehr klären. Iseke brachte die Waffe jedenfalls pflichtbewusst zur Polizei — die erst mal testete, ob nicht in den vergangenen Jahren mit der Waffe geschossen worden war. „War aber nicht“, erklärt Iseke. Dann sei der Revolver vernichtet worden.

Vor gut eineinhalb Jahren kaufte Iseke, dessen Familie fest mit Hahnenfurth verwurzelt ist, das alte Gebäude mit seinen Geheimnissen. Die Deutsche Bahn wollte den 1879 eingeweihten Bahnhof damals loswerden. Interessenten gab es einige. Ein Investor wollte dort zum Beispiel ein Bordell errichten. Ausgerechnet im beschaulichen Hahnenfurth. „Dann ging’s darum: Verhindern oder gleich selbst kaufen“, erinnert sich Iseke — und schlug damals zu.

Die Sanierung, betont Iseke, soll nach neuesten energetischen Maßstäben erfolgen. Auch deshalb habe er sich keinen festen Termin zur Fertigstellung gesetzt. Natürlich kannte er den Bahnhof. „Früher bin ich hier noch mit dem Schienenbus gefahren.“

Doch seit Anfang der 1990er Jahre rollen hier keine Bahnen mehr. Zuletzt waren Wohnungen dort untergebracht. „Es ist schon ein außergewöhnliches Gebäude“, sagt Iseke. „Ich habe mich schnell darin verliebt.“ Kaum zu glauben, wenn man die Fotos sieht, die er fein säuberlich in einem Ordner aufbewahrt hat. Der Zustand sei schon schlecht gewesen, räumt Iseke ein. „Es gab alle Schimmel- und Pilzkulturen, die die Baubiologie so kennt.“

Damit stand auch fest, womit sich die Arbeiter im ersten Sanierungsschritt rumschlagen mussten: Erst einmal galt es, alles trocken zu legen. Weil eine große Wand sich nicht mehr retten ließ, musste auf fünf Meter Tiefe ausgeschachtet werden. Vorteil für Iseke: Er hatte einen Grund, sich einen Mini-Bagger anzuschaffen. „Wer träumt nicht von so etwas?“, erzählt er lachend.

Einiges im Inneren erinnert noch an die ehemalige Nutzung. „Hier war zum Beispiel die alte Schalterhalle, wo die Tickets verkauft wurden.“ Der Safe steht auch noch da. „Den habe ich noch nicht aufbekommen.“ Ein Blick an die Decke und Iseke schüttelt angesichts der Höhe den Kopf. Etwas überdimensioniert, findet Iseke, angesichts der Bedeutung, die der kleine Bahnhof früher hatte. Sogar ein eigenens Abort-Haus gab es, in dem sich heute ebenfalls Wohnungen befinden.

Wenn es nach dem Architekten gegangen wäre, wäre der Bau wohl noch opulenter ausgefallen, vermutet Iseke. Immerhin: Die feine Gesellschaft aus Düsseldorf nutzte die Strecke gerne für Ausflüge, wie er weiß. Auf alten Postkarten ist das noch zu sehen. Herren und Damen in edlen Roben, die rund um den Bahnhof flanieren. „Eigene Parkwege wurden extra dafür angelegt.“ Und eingekehrt wurde dann im Haus Stöcker — auch das längst Geschichte.

Eins steht aber auf jeden Fall fest. Als Bahnhof wird das Gebäude nicht mehr genutzt werden. Sollte die Regionalbahn von Neuss nach Mettmann bis nach Wuppertal verlängert werden, wird sie schon vor Hahnenfurth einen Bogen fahren.

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