Leben im Denkmal (13): Vom Leben in der Villa Seyd

Wo einst nur eine Familie lebte, sind heute 18 Wohnungen untergebracht.

Uellendahl. Manche Besucher sagen, es ist ein „Aha-Erlebnis“. Anderen fällt einfach nur „Wow“ ein. Wer die Villa Seyd das erste Mal durch den Haupteingang betritt, ist vor allem eins: tief beeindruckt. Öffnet sich doch vor seinen Augen eine riesige Empfangshalle, die in ihrer Pracht eher an ein kleines Schlösschen erinnert.

Kunstvoll verzierte Fenster und Säulen; Wandmalereien; ein buntverglastes Oberlicht, Stuck, wohin man schaut — Hermann Seyd, der die Villa Ende des 19. Jahrhunderts bauen ließ, hatte sich wahrlich nicht lumpen lassen. Selbst für einen erfolgreichen Textilfabrikanten ist der Bau beachtlich.

Heute befinden sich dort, wo einst nur eine Familie — natürlich mit Personal — logierte, gleich 18 Wohnungen. Und doch gebe es Leute, die für solch einen Augenschmaus gar keinen Blick haben, wie David A. Lazica mit einem Schmunzeln erzählt. „Als ich Nachmieter für meine Wohnung hier gesucht habe, gab es Interessenten, die die Eingangshalle nur gut fanden, weil sie problemlos ihre Möbel dadurch bekommen hätten.“

Ausziehen wollte Lazica damals übrigens nicht. Auf so eine Idee käme er gar nicht. Er wechselte nur in die Wohnung nebenan. „Dafür habe ich dort jetzt einen Balkon“, erklärt der 39-jährige Oberarzt der Urologie im Helios-Klinikum, der schon zu Studentenzeiten an den Adalbert-Stifter-Weg zog. Die Anzeige in der WZ, in der 1997 der damalige Eigentümer auf gerade einmal vier Zeilen und relativ unscheinbar um Mieter warb, hat Lazica aufbewahrt. „Die Villa Seyd sagte mir damals aber gar nichts“, erinnert sich der Mediziner.

Denn da waren die Zeiten, in denen der denkmalgeschützte Bau von weitem sichtbar auf der leichten Anhöhe thronte, schon längst vorbei. Der große Park der Seyds hat schon vor Jahrzehnten modernen Neubauten Platz gemacht. Lazica hält sich mit einer Bewertung der, wie viele sagen, Bausünde zurück und schwärmt stattdessen vom Leben in der Villa.

Die Wohnungen seien aber eher „normal“, betont er beim Gang durch die zweieinhalb Zimmer. „Das hier ist kein Luxuswohnen“, sagt er, auch wenn die Eingangshalle etwas anderes vermuten lasse. Vier Meter hohe Decken? „Ich genieße das und könnte mir eigentlich gar nichts anderes mehr vorstellen.“

Hin und wieder feiere die Hausgemeinschaft Partys zusammen, die dank des Ambientes dann doch eher kleinen Bällen gleichen. Und pünktlich zur Weihnachtszeit spendiert der Eigentümer jedes Jahr einen hohen Christbaum für die Halle, vor dem sich die Mieter dann zum Plätzchen essen treffen.

Lazica habe auch schon Leute vor der Tür „aufgegabelt“, die unbedingt mal ein Blick ins Innere werfen wollten. „Damit habe ich kein Problem.“ Für Architekten sei der Bau natürlich sehr interessant. Die mittlerweile etwas versteckt liegende Villa passe einfach zu Wuppertal, „der Stadt auf den zweiten Blick“, wie Lazica, ein Ur-Wuppertaler, eine Bekannte zitiert.

Anekdötchen gibt es einige rund ums Haus. Im Keller existiert noch der alte, längst verschlossene Eingang des „Geheimtunnels“ zum Belvedere-Turm an der Kohlstraße.

Und vor ein paar Jahren war die Villa Kulisse für einen Filmdreh. „Da traf ich hier auf einmal Martin Semmelrogge“, erinnert sich Lazica. Semmelrogge, durchaus als Skandaludel bekannt, spielte damals in „Fahr zur Hölle, Gott“ den Satan — wie passend. Nur einen Hausgeist, den gebe es in der Villa nicht, sagt Lazica lächelnd.

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